Jäger der verlorenen nervösen Energie

In den Nullerjahren verschlug es mich aus dem Ruhrgebiet nach Köln und ich wurde irgendwie zufällig Schlagzeuger einer Indie-Band. Das war insofern schön, als dass ich den Sound und die Jungs in meiner Band Decorder mochte, wir klangen irgendwie nach Blumfeld und Tocotronic, das machte man seinerzeit so. Es war aber andererseits nervig, weil ich eigentlich Bassist bin. Das Magazin Intro gab uns Rückenwind, ein kleines Kölner Label veröffentlichte unser Album, wir tourten, gingen für weitere Aufnahmen in ein feines Studio in Düsseldorf, konnten uns nicht einigen und trennten uns. 

Das kam mir jetzt wieder in den Sinn, weil Weggefährten aus jener Zeit ihre bis dato unveröffentlichten Aufnahmen im Keller oder so gefunden haben und ich mich fragte, ob das sein muss?


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Weißt du eigentlich, wie egal mir deine Meinung ist, Gehirn?

Einer meiner liebsten Nightlife-Buddies, wir verabreden uns nie, ich habe nicht mal seine Nummer, aber wenn wir uns an den Theken unserer Stadt in die Arme laufen, ist es stets ein großes Hallo, er spielt in einer der weniger schlimmen Gitarrenbands, von denen es zu viele gibt in meiner Stadt, dieser Nightlife-Buddy jedenfalls hat ein Faibel für absurdeste Musik. So berichtet er mir gern von seinen Einkäufen von in minimaler Stückzahl gepresstem Vinyl, die Cover von Hand gestaltet (gern Laubsägearbeiten oder Origami, wenn ich nicht irre), absurd teuer, eingespielt mit zum Teil selbstgebauten Instrumenten, disharmonische Kakophonien und Soundtracks zur Apokalypse. Ich erwidere dann gern Schon die neue Taylor Swift gehört?, was er in der Regel mit einem Fick Dich beantwortet – ich weiß nicht, ob das Ja oder Nein bedeutet – und so nehmen die Nächte im regen Austausch ihren Lauf. 

Was ich sagen möchte: Obwohl wir bis auf ein paar Schnittmengen aus verschiedenen musikalischen Universen stammen, mögen und respektieren wir uns und genießen die Reibereien. Das funktioniert auch, weil er und ich verstanden haben, dass man den popkulturellen Diskurs nicht zu ernst nehmen darf, und schon gar nicht persönlich. Klar ist es part of the game, das Gegenüber mit Bands zuzuscheißen, von denen er/sie im Idealfall noch nie gehört hat, und ich betrüge stets ein wenig, wie Bilbo, als er Gollum im Rätsel-Wettstreit schlug, mit der nicht okayen Frage, was habe ich da in meiner Tasche, wenn ich Taylor oder Harry aus dem Hut ziehe, aber hey, wenn alle Lärm und Gebrüll und rares Vinyl-Gold und Oldschool, und ich so Bubblegum-Pop, wer ist dann der Punk? Und ich wette, mein Buddy hat nie ein Taylor-Swift-Album gehört.


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Der große Rock’n’Roll-Schwindel

Frau mit Kinderwagen angefahren las ich neulich als Schlagzeile einer Tageszeitung. Da fiel mir auf, wie ungenau Sprache sein kann und dass Frau mit CDs getroffen kein guter erster Satz für diesen Text ist. Deshalb anders.

Neulich kam ich aus einer Buchhandlung, hatte mir den neuen Murakami-Roman kaufen wollen, ihn dann aber liegen gelassen, weil ich Bücher ausschließlich nach ihrem Cover bewerte, und das war nicht hübsch, da sprach mich eine junge Frau an, ob ich a) Englisch spreche – ja, spreche ich  – und b) Rockmusik mag – nein, oh nein, aber so gar nicht. Was ich gerne höre, fragte sie. Pop Music, as poppy as possible, so ich. Sie lachte und meinte, sie spiele in einer Band, hielt mir eine CD hin, sie wären nicht so rockig, eher so Richtung Linkin Park. Ich erklärte ihr naserümpfend, dass Linkin Park Schrott sind und CDs so hässlich, dass ich meine alle längst verschenkt habe, machte aber ein Foto und versprach, ihrer Band auf Spotify ein Ohr zu leihen. 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


Heute kam mir das alles wieder in den Sinn, und ich machte mich auf die Suche nach – so sah ich es auf dem Foto – Defrage Reload mit dem Album Revelation One. Schnell wurde es absurd. Ich stieß auf Artikel, welche wissen wollen, dass die Band unter wechselnden Namen seit x Jahren ebenjene CD auf der Straße verkauft, niemand bezeugen kann, je eines ihrer Konzert gesehen zu haben, die Bandmitglieder bzw. die verkaufenden Personen ständig andere sind und zum Teil auffällig jung (die Band ist laut Wikipedia seit 2007 aktiv), die Geschichten von wir brauchen Geld für die Heimreise nach Estland bis all time touring-band variieren, und es wird die Frage aufgeworfen, ob dahinter nicht ein Schwindel steckt. Welcher das sein soll, da mag sich niemand festlegen, und mir persönlich fallen ohne kriminellen Background spontan zahlreiche Methoden ein, die mit weniger Aufwand mehr Ertrag brächten, ginge es hier nicht einer Band darum, ihre Musik unter die Leute zu bringen. In ihrem ganz eigenen Oldskool-Weg, den man auch nervig, antiquiert oder sonstwie finden kann. 

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Männer, die auf Gitarren starren

Ein Mensch ist prima, zwei Mensch ist Ärger. Mein Nähkästchen quillt über, ich plaudere mal etwas raus:

  • Neulich habe ich mich einer Gruppe von Podcaster*innen angeschlossen. Nach der ersten Aufzeichnung gab es Stunk, Diskussion, keine große Sache, es ging lediglich um ein Geräusch, und schon war ich kommentarlos vom Telestammtisch-Server gelöscht.
  • Als ich einen Moment nicht aufpasste, war meine letzte Band nicht mehr die meine und ich sah mich gezwungen, zu gehen.
  • Eine Paarbeziehung scheiterte an meiner Weigerung, mein Hab und Gut zu versetzen und in einem umgebauten VW-Bus um die Welt zu fahren.
  • Die Jungs aus meiner ersten Band, lange her, waren für ungezählte Jahre meine besten Freunde und Gefährten. Die Band zerbrach am Erfolgsdruck, die Freundschaften gleich mit.

Mensch und Mensch, so scheint mir, geht nicht. Egos kollidieren, Vorstellungen decken sich nicht, Pläne führen in verschiedene Richtungen. Ich persönlich habe kaum Bezug zu den Fantastischen Vier (zu der Band, die Superhelden mag ich sehr), aber der Band verdanken wir einen schönen Ausspruch, der mir oft in den Sinn kommt, wenn ich was auch immer mit anderen Menschen auf die Beine stellen will: Kein Applaus für Scheiße. 

Klar, des einen Scheiße ist des anderen Schokolade. Sein Plan, ihre Idee, die mich angeht, mich involviert, sind gut gemeint, mit Leidenschaft befeuert, aber deshalb auch gut? 

Hör mal, ich habe eine großartige Idee für einen Song. Schau mal, meine Arbeitskollegin sagt, dass man dort wunderschön Urlaub machen kann. Probier mal, ich habe ein neues Rezept getestet. Wir sollten uns öfter mit Thomas und Tanja zum Brettspielabend treffen, die beiden sind voll nett. Nein, sollten wir nicht. 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Verloren wie Tränen im Regen – Cyberpunk Ambient Music

Cyberpunk, ich möchte das ihr das wisst, war nicht immer das Videogame des polnischen Entwicklerstudios CD Projekt Red, das erst als großer Fail released wurde, sich aber jetzt gesund patchen konnte. Cyberpunk ist vielmehr ein Subgenre der Science Fiction. 

High Tech, Low Life

Als sein literarischer Vater gilt William Gibson, der für die Kurzgeschichte Burning Chrome (1982) Begriff und Konzept des Cyberspace erdachte. In seinem Debütroman Neuromancer (1984) komplettierte er seine Vision einer nicht fernen Zukunft. Mega-Cities, Neonlicht, mieses Wetter, Kybernetik und Computernetzwerke. Alles etwas schmierig, alles kriminell. Gibson warf der etablierten Science Fiction mit ihren kleinen grünen Männchen und den Prinzessinnen von fernen Planeten eine Hand voll Dreck ins Gesicht und holte sie aus der Ferne des Weltalls zurück auf die Erde. Seine Antihelden sind Hacker, Underdogs, Outsider, die sich gezwungen sehen, gegen die Gesellschaft in Armut zwingende Großkonzerne in die digitale Schlacht zu ziehen. Das verleiht dem Ganzen eine unübersehbare politische wie soziologische Komponente und macht den Cyberpunk damit auch für Leser und Leserinnen interessant, die hinter dem Begriff Science Fiction nur Star Wars erwarten. (Und der Vollständigkeit halber, Star Wars ist nicht Sci-Fi, sondern Fantasy.)


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Schmeiß das Frettchen in die Wanne

Jeff Bridges ist mir in seiner Rolle als der Dude im großartigen The Big Lebowski ein echtes Vorbild. Ohne Schnickschnack lebt er einen entspannten Alltag jenseits überzogener Erwartungshaltungen, überkandidelter Ziele oder nervenaufreibendem Ehrgeiz. Mit den Kumpels zum Bowling, was kiffen, ein gut gemixter White Russian und ein Plausch an der Bar, was will man mehr. Was braucht man mehr? Nahezu buddhistisch, sicherlich stoisch, mag ich nicht nur die Figur – auch Jeff Bridges, tatsächlich Buddhist, ist im Alter smart as fuck. Das strebe ich an, aber erst im Alter, also stay tuned.

Die Ereignisse in The Big Lebowski nehmen ihren Lauf, als deutsche Nihilisten dem Dude die Tür eintreten, ihm ein Frettchen in den Schritt werfen und auf seinen Teppich pissen. Jenen Teppich, der das Zimmer erst richtig gemütlich macht. Alles wegen einer Verwechslung. Was lernen wir daraus? Egal wie friedlich, bescheiden und unter dem Radar du dein Leben führst, es kann sein, dass plötzlich wer deine Tür eintritt und auf deinen Teppich pisst.

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Träume in Neon

Mal angenommen, du bist 1974 geboren. Dann hast du wahrscheinlich so um 1980 aufgehört, die Hitparade der Schlümpfe zu hören und Popmusik im Radio für dich entdeckt. Dort begegneten dir unweigerlich Visage mit ihrem zeitlosen Masterpiece „Fade To Grey“, aber auch die Beatles, denn deren letztes Album Let It Be war 1980 gerade mal zehn Jahre alt – und klang dennoch neben Visage wie Musik aus längst vergangenen Zeiten. 

Wenn du 2024 Musik für dich entdeckst und dein großer Bruder dir was zehn Jahre Altes vorspielt, ist das Daft Punk (wenn dein Bruder cool ist) oder Avicii, und du bist fein damit, weil es klingt, wie das, was du kennst.


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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