Meine Yacht rockt

Ich habe meine Plattensammlung verkauft. Sie war nicht groß, wuchs kaum noch und gehört habe ich selbst solche Musik, die ich auf staubigem weil selten eingefasstem Vinyl besaß, eher auf Spotify oder YouTube. Als ich die Platten für die Abholung in Kartons packte, überkam mich trotzdem etwas Abschiedsschmerz. “Tunnel of Love” von Bruce Springsteen, ich fuhr 1987 mit dem Fahrrad in die benachbarte Stadt, um sie zu kaufen. “Lovesexy” von Prince schenkte mir mein Bruder 1988 zum Geburtstag. 

Überrascht war ich, welche Anzahl an Yacht-Rock-Platten ich in den letzten Jahren gekauft und nicht gehört hatte. Yacht-Rock ist Musik der Siebziger und frühen Achtziger, lief in etwa parallel zu Disco, und wurde zu jener Zeit West Coast Rock oder AOR (Adult Oriented Rock) genannt. Den Namen Yacht-Rock prägte erst eine Mockumentary aus dem Jahr 2005. Kalifornien, verspiegelte Sonnenbrillen, Bikinis, das Hemd geknotet, Sommer, Sonne, Strand und Drogen – elitäre Fuzzies, Yuppies, die es sich auf ihrer Yacht gut gehen lassen und dazu jene leichte Musik hören, wurde der abwertende Begriff ex Post die Geburt eines Genres.


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Jäger der verlorenen nervösen Energie

In den Nullerjahren verschlug es mich aus dem Ruhrgebiet nach Köln und ich wurde irgendwie zufällig Schlagzeuger einer Indie-Band. Das war insofern schön, als dass ich den Sound und die Jungs in meiner Band Decorder mochte, wir klangen irgendwie nach Blumfeld und Tocotronic, das machte man seinerzeit so. Es war aber andererseits nervig, weil ich eigentlich Bassist bin. Das Magazin Intro gab uns Rückenwind, ein kleines Kölner Label veröffentlichte unser Album, wir tourten, gingen für weitere Aufnahmen in ein feines Studio in Düsseldorf, konnten uns nicht einigen und trennten uns. 

Das kam mir jetzt wieder in den Sinn, weil Weggefährten aus jener Zeit ihre bis dato unveröffentlichten Aufnahmen im Keller oder so gefunden haben und ich mich fragte, ob das sein muss?


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Der große Rock’n’Roll-Schwindel

Frau mit Kinderwagen angefahren las ich neulich als Schlagzeile einer Tageszeitung. Da fiel mir auf, wie ungenau Sprache sein kann und dass Frau mit CDs getroffen kein guter erster Satz für diesen Text ist. Deshalb anders.

Neulich kam ich aus einer Buchhandlung, hatte mir den neuen Murakami-Roman kaufen wollen, ihn dann aber liegen gelassen, weil ich Bücher ausschließlich nach ihrem Cover bewerte, und das war nicht hübsch, da sprach mich eine junge Frau an, ob ich a) Englisch spreche – ja, spreche ich  – und b) Rockmusik mag – nein, oh nein, aber so gar nicht. Was ich gerne höre, fragte sie. Pop Music, as poppy as possible, so ich. Sie lachte und meinte, sie spiele in einer Band, hielt mir eine CD hin, sie wären nicht so rockig, eher so Richtung Linkin Park. Ich erklärte ihr naserümpfend, dass Linkin Park Schrott sind und CDs so hässlich, dass ich meine alle längst verschenkt habe, machte aber ein Foto und versprach, ihrer Band auf Spotify ein Ohr zu leihen. 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


Heute kam mir das alles wieder in den Sinn, und ich machte mich auf die Suche nach – so sah ich es auf dem Foto – Defrage Reload mit dem Album Revelation One. Schnell wurde es absurd. Ich stieß auf Artikel, welche wissen wollen, dass die Band unter wechselnden Namen seit x Jahren ebenjene CD auf der Straße verkauft, niemand bezeugen kann, je eines ihrer Konzert gesehen zu haben, die Bandmitglieder bzw. die verkaufenden Personen ständig andere sind und zum Teil auffällig jung (die Band ist laut Wikipedia seit 2007 aktiv), die Geschichten von wir brauchen Geld für die Heimreise nach Estland bis all time touring-band variieren, und es wird die Frage aufgeworfen, ob dahinter nicht ein Schwindel steckt.

Welcher das sein soll, da mag sich niemand festlegen, und mir persönlich fallen ohne kriminellen Background spontan zahlreiche Methoden ein, die mit weniger Aufwand mehr Ertrag brächten, ginge es hier nicht einer Band darum, ihre Musik unter die Leute zu bringen. In ihrem ganz eigenen Oldskool-Weg, den man auch nervig, antiquiert oder sonstwie finden kann. 


Neue Folgen von „riffs & rants“:


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rosmarin: nerdy bis easy

Live-Report: rosmarin in Wien

Gut möglich, dass rosmarin aus Kassel und Umgebung in der deutschsprachigen Indie-Pop-Szene in Zukunft noch eine größere Rolle spielen werden. Noch stehen Silas, Janosch, Lucas, Noah und Luca eher am Beginn ihrer Laufbahn: 2022 gegründet, haben rosmarin im Jahr darauf ihre erste Single vorgestellt und jetzt, wieder ein Jahr später, ihre Debüt-EP.

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Pew Pew Alice: Hauptsache, es schallert

Bei Pew Pew Alice feuern sieben Jungs aus München mit Gesang, Rap, Gitarre, Drums, Bass, Akkordeon, Synthies, Trompete und Saxophon aus allen Rohren. Als Vorboten für ihre erste EP hat die Band gerade die Single „Kaktus“ vorgestellt. Darauf singen Pew Pew Alice mit einem leichten Dialektzungenschlag in solch Falco-hafter Coolness über stümperhaftes Hobby-Gärtnern und tote Rosen, dass man sich erstens ständig bei einem leichten Schmunzeln ertappt und dieses Siebenergespann zweitens einfach toll finden muss. Ihr selbstgewähltes Motto: Hauptsache, es schallert. Damit tingeln Pew Pew Alice seit 2022 durch die deutschsprachige Musikszene und über die ein oder andere Festivalbühne.

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Männer, die auf Gitarren starren

Ein Mensch ist prima, zwei Mensch ist Ärger. Mein Nähkästchen quillt über, ich plaudere mal etwas raus:

  • Neulich habe ich mich einer Gruppe von Podcaster*innen angeschlossen. Nach der ersten Aufzeichnung gab es Stunk, Diskussion, keine große Sache, es ging lediglich um ein Geräusch, und schon war ich kommentarlos vom Telestammtisch-Server gelöscht.
  • Als ich einen Moment nicht aufpasste, war meine letzte Band nicht mehr die meine und ich sah mich gezwungen, zu gehen.
  • Eine Paarbeziehung scheiterte an meiner Weigerung, mein Hab und Gut zu versetzen und in einem umgebauten VW-Bus um die Welt zu fahren.
  • Die Jungs aus meiner ersten Band, lange her, waren für ungezählte Jahre meine besten Freunde und Gefährten. Die Band zerbrach am Erfolgsdruck, die Freundschaften gleich mit.

Mensch und Mensch, so scheint mir, geht nicht. Egos kollidieren, Vorstellungen decken sich nicht, Pläne führen in verschiedene Richtungen. Ich persönlich habe kaum Bezug zu den Fantastischen Vier (zu der Band, die Superhelden mag ich sehr), aber der Band verdanken wir einen schönen Ausspruch, der mir oft in den Sinn kommt, wenn ich was auch immer mit anderen Menschen auf die Beine stellen will: Kein Applaus für Scheiße. 

Klar, des einen Scheiße ist des anderen Schokolade. Sein Plan, ihre Idee, die mich angeht, mich involviert, sind gut gemeint, mit Leidenschaft befeuert, aber deshalb auch gut? 

Hör mal, ich habe eine großartige Idee für einen Song. Schau mal, meine Arbeitskollegin sagt, dass man dort wunderschön Urlaub machen kann. Probier mal, ich habe ein neues Rezept getestet. Wir sollten uns öfter mit Thomas und Tanja zum Brettspielabend treffen, die beiden sind voll nett. Nein, sollten wir nicht. 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Live-Report: Hauptstadtdebüt für The Magic Mumble Jumble

The Magic Mumble Jumble sind eine bunt zusammengewürfelte Truppe und das Paradebeispiel für gut gemachte, peacige Feel-Good-Musik. Die Band liefert fette Sounds, Pop-Melodien, sanfte Balladen, New-Orleans-Jazz-hafte Soli und sehr viel Optimismus und Lebensfreude. Gerade ist die Band auf Tour unterwegs und gab am Mittwochabend im Badehaus ihr allererstes Konzert in Berlin.

The Magic Mumble Jumble im Berliner Badehaus. © Musik unterm Radar

Der Start kommt plötzlich: Das leise Einstimmungsgedudel aus den Boxen ist noch gar nicht restlos verklungen, da schießt auf einmal der massive Drumbeat von der Bühne, und zwar so laut und überraschend, dass das Publikum ganz kurz kollektiv zusammenzuckt. Wachgerüttelt löst sich sofort die Stimmung und The Magic Mumble Jumble halten ihr Versprechen, den grauen Großstadtfebruar mit ein bisschen Farbe und Liebe aufzulockern.

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Sector 5: Berliner Band will was reißen

Das Jahr 2023 war für das junge Vierergespann Sector 5 ein recht erfolgreiches: Erst gewannen die Berliner den „Welcome to Europe“ Songcontest und staubten dann noch beim „Deutschen Rock & Pop Preis“ Preise ab. Für diesen Frühling haben sich die Brüder Mika (Gesang, Gitarre) und Sami (Drums) gemeinsam mit Bassistin Jules und Gitarrist Johann die Veröffentlichung einer neuen EP vorgenommen. Neben zwei kleinen EPs hat Sector 5 ihren Pop-Rock-Mix bisher nämlich vor allem in einzelnen Singles vorgestellt.

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Träume in Neon

Mal angenommen, du bist 1974 geboren. Dann hast du wahrscheinlich so um 1980 aufgehört, die Hitparade der Schlümpfe zu hören und Popmusik im Radio für dich entdeckt. Dort begegneten dir unweigerlich Visage mit ihrem zeitlosen Masterpiece „Fade To Grey“, aber auch die Beatles, denn deren letztes Album Let It Be war 1980 gerade mal zehn Jahre alt – und klang dennoch neben Visage wie Musik aus längst vergangenen Zeiten. 

Wenn du 2024 Musik für dich entdeckst und dein großer Bruder dir was zehn Jahre Altes vorspielt, ist das Daft Punk (wenn dein Bruder cool ist) oder Avicii, und du bist fein damit, weil es klingt, wie das, was du kennst.


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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