Kleines Licht beats große Dunkelheit

Neulich, am vermutlich heißesten Tag dieses Jahres lief ich vom Bahnhof durch die City, vorbei an dem neuen Bibliotheksgebäude, vor dem die Stadt unbequeme Bänke installiert hat, auf denen niemand sitzen kann, dessen Körper nicht durch eine Laune der Natur oder widrige Umstände die Form eines Geodreiecks hat. Oder du machst es wie der junge Mann, der mir auffiel, oberkörperfrei in der Gluthitze, schlägst der amtlich verordneten Unbequemlichkeit mit Körperspannung ein Schnippchen und wirst zur Hypotenuse. 

Der Typ, lass ihn sechzehn bis achtzehn Jahre jung gewesen sein, war smart, blond, drahtig, Boyband-hübsch, trug eine wirklich ausgefallene Schlaghose und – ein Fleck auf einem schönen Gemälde, ein Makel in der jugendlichen Reinheit – er rauchte einen Joint. 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Marlene Nadina: Debüt mit melancholischer Eleganz

Marlene Nadina ist eine besondere Entdeckung. Talent und Tiefgang bringt sie beides mit und obwohl sie mit ihrer eindrücklichen Stimme und den jazzy Chanson-Vibes klingt wie eine frühere Ikone, haben sie bisher nur die allerwenigsten auf dem Schirm.

Ihre erste Single „Ganz Sachte“ brachte die deutsche Künstlerin mit bosnischen Wurzeln vor drei Jahren heraus. Nachdem Marlene Nadina danach längere Zeit nur Songs „für die Schublade“ produziert hatte, erschien diesen April ihr Debütalbum Bitter.

Die Musik von Marlene Nadina erinnert an die Atmosphäre eines kleinen Jazzclubs während einer Sommernacht – der erste Track ihres Debüts könnte sich auch gut als Soundtrack zur BBC-Serie Peaky Blinders eignen.

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Mereba: Vielfalt hat einen Namen

Als Mereba im Jahr 2013 zum ersten Mal auf den Plan trat, konnte noch niemand voraussehen, was für eine vielfältige musikalische und kreative Entwicklung sie in den kommenden Jahren hinlegen würde. Scheinbar anstrengungslos erkundet und verknüpft Mereba Elemente aus Folk, R&B und Rap. Der rote Faden ist Mereba selbst – ihre eigene Geschichte mit allen Veränderungen ist gleichzeitig Inhalt und Form ihrer Musik.

Marian Azeb Mereba alias Mereba wurde in Montgomery, Alabama geboren und wuchs größtenteils in Pennsylvania auf. Sie hat seitens ihrer Mutter afro-amerikanische und seitens ihres Vaters äthiopische Wurzeln, und weil ihre beiden Eltern Professor*innen sind, zog sie in Kindheit und Jugend häufig um. In North Carolina lernte sie Gitarre zu spielen und die Musikszene der Großstadt Atlanta, Georgia formte ihre musikalische Ausrichtung schließlich besonders. Die musikalische Vielfalt, der sie zuerst in der Underground-Szene Atlantas begegnete – ob Folk, Rap, Reggae oder R&B – zieht sich durch Merebas musikalisches Werk und sorgt dafür, dass ihre Musik immer wieder Überraschungen bereithält, ohne an Zusammenhang zu verlieren.

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Live-Report: zeck in Berlin

Die Weihnachtszeit hat schon begonnen, doch im Neuköllner Club Hole44 wird heute Abend trotzdem Surfmusik gespielt. Draußen steht dran: „Ich geh auf Tour, kommst du mit?“ Der Club ist fast vollständig gefüllt mit Gen-Z-Freundesgruppen, während die Singer-Songwriterin Laura Nahr als Vorband auftritt.

Der Main Act des Abends kündigt sich danach mit einem Video-Monolog an: „The last time we spoke, I’ve been into some really dark places…”

Zeck schreibt über sich selbst in seiner Spotify-Bio: „no plan, no genre…“, doch wird gern als Singer-Songwriter für Indie-Pop mit Feel-Good-Vibes bezeichnet. Und das, obwohl er in seinen Songs auch ernstere Themen aufgreift. Sein Markenzeichen ist Authentizität und er regt auch andere Männer dazu an offener mit ihrer mentalen Gesundheit umzugehen. Die Message heute Abend ist also Hoffnung und das zeigt sich auch auf dem neuen Albumcover: Seine Nase ist blutig, aber er lächelt.

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Hamburg wird leergetanzt: STANOVSKY in der Hebebühne

STANOVSKY ist als Indie-Pop-Künstler kein Unbekannter mehr. Seit 2021 versorgt er seine Fans immer wieder mit neuen Beats; mal erfrischend elektronisch, mal klassische Klavierklänge, und mal auch ein bisschen von beidem. Mit seinem neuen Album Grünlich tourte Peter Stanowsky jetzt quer durch die Republik und trat unter anderem in Hamburg auf.

Die Hebebühne gibt einem das Gefühl, in einem gemütlichen Wohnzimmer zu sitzen. Zur Einrichtung gehören Bar, Sessel, Sofas und ein altes Klavier in der Ecke. Nur die kleine Bühne lässt durchblicken, dass hier auch die Hamburger Musikszene ein Zuhause findet.

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Wie der Kamin auf Netflix

Die Zeiten, in denen eine Karriere im Musikbusiness auf den kleinen Bühnen der eigenen Stadt begann, sind definitiv vorbei. Die Idee, sich erst eine kleine lokale Fanbase zu erspielen, von dort aus weiter entfernte Bühnen, vielleicht Festivals, um neues Publikum zu erschließen – vergiss es. Mach es einfach digital, dann liegt dir direkt die ganze Welt zu Füßen. Für diese These ist David Nevory geradezu ein Paradebeispiel.

Der smarte junge Mann kann kubanisch-amerikanische Wurzeln vorweisen, das ist viel cooler als aus Herne kommen. Er musiziert aus Köln in die Welt hinaus, und das mit der Unterstützung von Saint in the City, einem Independent Label mit internationalen Portfolio. David spielt jene Art soften Singer-Songwriter-Sound, wie er gern aus Kanada kommt, erweitert dieses Setting jedoch um einige interessante Facetten, Synthies, das macht Pop Flair und löscht das Lagerfeuer, es brennen wirklich schon zu viele Lagerfeuer rund um den Globus. Simon & Garfunkel gibt er als Einfluss an, Bruce Springsteen, letzteren höre ich nicht, eher einen weniger wütenden Sam Fender oder einen Ryan Adams ohne Dachschaden. Aber ich bin ja schon mehr als begeistert, wenn sich ein Kölner mit Karriereambitionen nicht aus Verzweiflung im Karneval verdingt. 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Robert, you’re a love disaster

Erinnerst du dich an Robert Francis? 2007 erschien das erste Album des damals neunzehnjährigen Amerikaners und Multiinstrumentalisten, über den geschrieben wurde, dass er in einer Künstlerfamilie in Kalifornien aufwuchs und John Frusciante ihm das Gitarrespielen beibrachte. Umso überraschender, dass Robert nicht so schaurige Musik macht wie Frusciante oder seine schreckliche Band, sondern wunderschön schwülstigen Singer-Songwriter-Pop, Country, Americana und Rock. 

In seiner emotionalen Intensität und der Stimmgewalt fühlt sich dies ähnlich an wie die Kompositionen des unvergessenen Jeff Buckley. Dazu dann noch diese dezente Melancholie und der verstrubbelte Out-Of-Bed-Look, trotzdem smart, diesem Charme erliege ich bis heute wehrlos. 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


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Vagabon: You turn me into someone I don’t fuck with

Und immer wieder New York City. Die US-Amerikanerin Laetitia Tamko erweitert den überstrapazieren Begriff des Singer/Songwriters mit guten Pop-Vibes.

Weil, mal unter uns, traurige junge Männer, die mit geschlossenen Augen auf ihrer akustischen Gitarre Liebeslieder säuseln, haben wir mehr als genug. Warum also nicht mal Songs schreiben, und diese allein im elektronischen Gewand sauber aufnehmen und produzieren. Also auch Singer/Songwriter, nur weniger öde. 

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Amber & the Moon: Herbstwetter-Folk

Amber & the Moon machen Indie-Folk gewürzt mit filigraner Instrumentation und durchdachter Rhythmik und Percussion. Anfangs war Gitarristin und Sängerin Ronja noch solo als Amber & the Moon unterwegs, inzwischen hat die Musikerin ihr Projekt mit einem Bassisten und einem Drummer zu einer feinen kleinen Band ausgebaut. Im Januar kam ihr Debütalbum Things We’ve Got In Common heraus, das der WDR direkt zum „Album des Monats“ kürte.

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jupiter flynn: „Ich wollte die Erste sein, die ein Konzert im Weltraum spielt.“

Schon als Schülerin wurde jupiter flynn für ihr Debütalbum von Wintrup unter Vertrag genommen, ihre allererste Single „difficult times“ hat ihr inzwischen an die 900.000 Streams bei Spotify eingefahren. Zuletzt veröffentlichte sie mit „monsters and men“ eine neue Single. Zum Interview in einem Café im herbstlichen Kreuzberg kommt die Indie-Newcomerin beladen mit Gitarre, Ukulele und einem Koffer voll Equipment. Später wird sie um die Ecke noch für einen Support-Gig auf der Bühne stehen. Bevor sie zum Soundcheck muss, hat die Musikerin aber Zeit für einen Ingwertee und ein Gespräch über ihre Faszination für Wissenschaft, die Studio-Sessions mit dem Drummer von Wir sind Helden und ihren Umgang mit Druck im Musik-Business.

© jupiter flynn

Musik unterm Radar: Obwohl du kürzlich erst 20 Jahre alt geworden bist, hast du schon ein Album rausgebracht und eine EP in Arbeit. Wolltest immer schon Musikerin werden?

jupiter flynn: Ich schreibe Songs, seit ich 15 bin. Aber es war eigentlich gar nicht geplant, dass ich Musikerin werde. Ich wollte immer Wissenschaftlerin werden wie mein Dad. Ich habe vor zwei Jahren auch ein Chemiestudium angefangen, aber nach drei Monaten direkt wieder abgebrochen.

Wie kam’s?

Ich hatte nicht genug Zeit für Musik. Außerdem war wegen Corona alles online. Seitdem mache ich jetzt hauptsächlich Musik. Aber Naturwissenschaften mag ich immer noch: Psychologie, Biochemie, solche Sachen. Ich lese viele nerdy Bücher. Wenn ich viel Musik mache, brauche ich immer auch anderen Input als Ausgleich.

Vor allem für den Weltraum kannst du dich ja sehr begeistern.

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