E^ST: klar und direkt

Unter dem etwas seltsamen Pseudonym E^ST singt eine junge Musikerin bereits seit mehreren Jahren. Besteht auf der anderen Seite der Weltkugel schon eine Fanbase, wird es Zeit, dass ihr Ruf auch bis nach Europa überschwappt.

Mit um die 20 hat die Australierin Melisa Bester mit ihrem Alter-Ego E^ST schon einiges abgehakt: mehrere Singles, Support von Größen wie Twenty One Pilots und seit Oktober den ersten Longplayer.
So mancher mag nach E^STs jugendlicher Ausstrahlung überrascht gewesen sein von ihrer Musik, ihrer Erfahrung und nicht zu vergessen ihrer selbstbewussten Präsenz. Sie kann die netten Indie-Pop-Balladen genau so wie den experimentellen Electro-Sound. Mit ihrer rauen Sprache hält sie sich dabei auch nicht zurück – die meisten ihrer Songs sind mit „Explict“ gekennzeichnet. Besonders ist ihre Singstimme aber auch so allemal. Stark und voller Charakter singt E^ST und zieht einen in ihren Bann

Fazit: Eine junge Künstlerin, der man mit Spannung zuhört. Die Titel sind voller Abwechslung und in den Lyrics finden sich viele toll getextete Zeilen.

  • Meisterwerk: Friends
  • Meilensteine:
    • 2018 Debut E^ST
  • Getextet: „Oh, we’re just human beings | No good at being good at things“ – Friends
  • Umleitung:

Adventsspezial: JD McPherson

Dass sich die Jazzer und Bluesmen in den USA auch von der besinnlichen Zeit einnehmen lassen, ist nichts Neues: Frank Sinatra, Ella Fitzgerald, Nat King Cole — sie alle haben mindestens ein Weihnachtsalbum veröffentlicht. In diese Tradition reiht sich nun auch JD McPherson mit ein, wenn auch mit einer gewissen Portion Komik.

„Ugly Sweater Blues“ heißt seine Interpretation der Vorweihnachtszeit innerhalb der Familie und stammt aus seinem Weihnachtsalbum Socks. Wie der Titel schon vermuten lässt, dreht sich hier alles um die typisch amerikanischen Weihnachtspullover. Protagonist ist anscheinend ein Kind, das mit der Vorgabe seiner Mutter hadert, den hässlichen Pullover tragen zu müssen. In schöner Weihnachtsmanier wartet das Lied neben der vollen Stimme McPersons und angenehmem Drive mit Glöckchen im Hintergrund auf und erzeugt so ein schönes Kaminfeeling.

Cosmo Sheldrake: was uns Geräusche erzählen

Viele Künstler wurden schon mit „The one and only…“ angekündigt. Cosmo Sheldrake hätte die Phrase verdient. Denn seinen Stil findet man so schnell kein zweites Mal.

Seine Faszination für die kleinen Geräusche fand der Brite Cosmo Sheldrake auf Reisen: Ein Tonbandgerät diente ihm als „Tagebuch“, wie er selbst sagt. Was auch immer ihm in die Quere kam, das nahm er auf. Als Multiinstrumentalist, Musikproduzent und Komponist (unter anderem für Film und Theater) nutzt Sheldrake sein breites musikalisches Wissen, um diese Klänge wie Zeitkapseln in seinen Liedern zu verewigen.
Was seine Titel außerdem besonders macht, ist die Summe aus sauber kombinierten elektronischen Klängen, erstaunlicher Umsetzung seiner One-Man-Band und Melodien, die im Kopf bleiben und dennoch überhaupt nicht „typisch Pop“ sind.

Fazit: Cosmo Sheldrake macht Musik auf seine Weise. Was dabei herauskommt ist eine Momentaufnahme: experimentell, sprunghaft, lebendig. Und voller Geschichten, die man nur erahnen kann.

Tom Rosenthal: echte Gänsehaut-Songs

Wo immer seine Musik gespielt wird, dorthin zaubert Tom Rosenthal mit einfachen Mitteln in seinen Liedern eine wunderschön gefühlvolle Stimmung, die ansteckt und berührt.

Tom Rosenthal ist zweifacher Vater, seit über zehn Jahren Solokünstler, hat über Youtube Berühmtheit erreicht, ohne dass er je ein Schwergewicht von Plattenfirma im Rücken hatte, und insgesamt schon fünf Alben und eine weitere Handvoll EPs herausgebracht. Die neueste Veröffentlichung ist gerade mal einen Monat alt und trägt den Namen Z-Sides, ein Album voller ruhiger Melodien, auf dem Rosenthal einige seiner älteren Titel als akustische Versionen sehr gelungen neu interpretiert hat.
Es ist diese Kombination aus seiner eindrücklichen, rauchigen Singweise, sanfter Klavieruntermalung und schöner Melodien, die der Guardian als „gentle epic ballads“ bezeichnet und die man wie von selbst und ganz in Gedanken versunken mit summt. Dazu kommen tiefgreifende, berührende Texte, die einen höchst selbstreflektierten Menschen vermuten lassen.

Fazit: Nicht nur, aber gerade jetzt in der anbrechenden dunklen Jahreszeit kann man die Titel von Tom Rosenthal nur jedem ans Herz legen. Sei es für eine Tasse Tee vorm Kamin, gemeinsame besinnliche Stunden oder einfach um einer angenehmen Hintergrundmusik zu lauschen.

  • Meisterwerk: „Go Solo“
  • Meilensteine:
    2011 Debut Keep a Private Room Behind the Shop
    2018 Z-Sides
  • Umleitung: http://tomrosenthal.co.uk

Die Lieferanten: frischer Wind aus Münster

Jazz-Riffs im Klavier, kabarettistische Texte, bisschen Rock’n’Roll-Feeling, funkige Gitarre, lässiger Gesang, smartes Schlagzeug. Für diese Fülle an Stilmitteln reichen die klassischen Genres gar nicht aus. Deshalb haben sich Die Lieferanten kurzerhand selbst eins überlegt: Schabernacksoul.

Zwei Jahre nach ihrer Gründung merkt man den Jungs an, dass sie ihren Stil gefunden haben und darin aufgehen. Einen besonderen Elan scheinen die vier Lehramtsstudenten aus Münster von Anfang an mitgebracht zu haben: Einen Monat nach der Gründung im Herbst 2016 standen sie schon gemeinsam im Studio, um die erste EP aufzunehmen – der Titel passenderweise Eine Frage der Begeisterung. Neben dem Unibetrieb wurde dann ordentlich Bühnen-Erfahrung gesammelt, Festivals gespielt, eine Nominierung zum Pop NRW Preis darf auch nicht fehlen. Und das wichtigste: Ganz bald gibt’s eine neue EP. Alles, was du hast kommt am 16. November raus, die Tour dazu steht Anfang 2019 an.
Wie die Bezeichnung Schabernacksoul verspricht, bringt auch diese Platte wieder eine schöne Bandbreite an musikalischen Kniffen mit. Sänger Moritz lässt seine coole, kratzige Stimme raushängen, die Mitglieder sind einwandfrei aufeinander abgestimmt. Überhaupt findet man in den Songs der Lieferanten alles, was man sich als MusikliebhaberIn so wünschen kann: Spannungsbögen, tanzbare Rhythmen, Melodien, die man mitsingen kann, ruhige und mitreißende Passagen und unverhoffte Wechsel, die von allen Mitgliedern super umgesetzt werden.

Fazit: Die Lieferanten machen ihrem Namen alle Ehre und liefern einfach klasse Musik ab. Besonders schön ist, dass von Klavier bis Drums jedes Instrument seinen Raum bekommt. Gerade der Bass, der bei vielen Indie-Bands etwas unter den Tisch gekehrt wird, gibt dem starken Sound der Lieferanten mit seiner starken Präsenz noch einmal einiges.

Alice Merton: echte Frauenpower

Alice Mertons Musik ist vor allem eins: saucool. Texte, Rhythmen, Melodien – einfach alles cool.

Nach einer – zumindest geographisch – recht bewegten Kindheit und Jugend (Deutschland, USA, mehrere Stationen in Kanada, wieder Deutschland, Großbritannien) macht Alice Merton ihre Musik heute von Berlin aus. Und diese Musik kommt an: Mehrere Preise hat sie schon abgestaubt, unter anderem einen ECHO, in Deutschland und vier anderen Ländern hat sich ihre erste Single so gut verkauft, dass es für den Platin-Status reichte.
Mertons Songs sind im Großen und Ganzen Popstücke, allerdings mit einer guten Ladung rockiger Power. Der energiegeladene Sound ist vor allem geprägt von Mertons ausgesprochen kräftiger Stimme. Sie stahlt beim Singen eine beeindruckende Souveränität aus, als ließe sie sich von nichts und niemandem vorschreiben, wer sie zu sein habe. Auch was ihre Instrumentalbegleitungen anbelangt, traut sich Merton, zu experimentieren. So ist „No Roots“ komplett auf einem Bassmotiv aufgebaut und überhaupt ist der Song mit den wirkungsvoll eingesetzten Backings und rhythmischen Akzenten besonders kraftvoll.

Fazit: Alice Merton macht lebendigen und definitiv tanzbaren Indie-Pop, die Ohrwurm-Melodien kommen dabei trotzdem nicht zu kurz.

Cat Clyde: ein Hoch auf den Gitarrenfolk

Wenn rhythmische Akustikgitarrenpatterns auf verspielte E-Gitarren-Fills und eine gute Portion Power im Gesang treffen, dann ergibt das Cat Clyde.

Die Solo-Künstlerin Cat Clyde aus dem kanadischen Stratford hat schon als Jugendliche in verschiedenen Bands gespielt und Songs geschrieben. Nun, mit Mitte 20, hat sie schon die ein oder andere Veröffentlichung hinter sich und tourt gerade durch Deutschland.
Die Titel von Cat Clyde lassen einen versonnen in die Ferne blicken und klingen durch den selbstbewussten, vollen Gesang der jungen Singer-Songwriterin nach Zuversicht und gleichzeitig einem besonderen Sinn für Ästhetik. Sehr schön kommen auch die Country-Einflüsse, besonders in Akustik- und E-Gitarren-Begleitung. Die Musikvideos sind größtenteils in der Natur gedreht und treffen damit schön ursprünglichen Klang von Clydes Folksongs.

Fazit: Ob zum Träumen, fröhlichen Zusammensitzen, für eine Dosis Saloon-Feeling oder fürs Feierabendbier – Cat Clydes Musik eignet sich für fast jede Gelegenheit.

  • Meisterwerk: Like A Wave
  • Getextet: „My thoughts are colossal | I can see they weigh you down“ (Like A Wave)
  • Umleitung: https://www.catclydemusic.com/

Jules Ahoi & The Deepsea Orchestra: Surfer-Dudes für den Folk

In Frontmann Julian Braun scheinen seit jeher zwei Herzen zu schlagen. Einerseits der Ozean (der ist für einen Surflehrer ja auch existentiell) und andererseits seine Leidenschaft zur Musik; beides vereint er in seinen Songs. Mit Band heißt er dann Jules Ahoi & The Deepsea Orchestra.

Nachdem ihm im Surfurlaub in Frankreich die spontane Erkenntnis getroffen hatte, dass das Studentenleben doch nichts für ihn sei, fasste Julian Braun alias Jules Ahoi den Entschluss, von nun an einen VW-Bus sein Zuhause zu nennen. Seine Erlebnisse verpackte er in Songtexte und war nach ersten Veröffentlichungen regelmäßig mit seinem Deepsea Orchestra in Europa unterwegs. Der Begriff des Orchesters ist hier übrigens gar nicht unbedingt fehl am Platz, schließlich wird Jules Ahoi mit Pianistin, Gitarrist, Bassist, gleich zwei Drummern und Cellistin von einer recht großen Band unterstützt.
Wenn man Jules Ahoi & The Deepsea Orchestra und ihre rhythmischen, kraftvollen Songs hört, schmeckt man schon fast das Meersalz auf der Zunge. Jules Ahois Stimme hört man an, dass er viele Geschichten zu erzählen hat, seine Musikerkollegen übernehmen den atmosphärischen Sound. Wie man sich musikalische Wellen vorstellt, bauen sie Spannung auf und lassen sie wieder abflauen, treibende Trommelrhythmen, gut dosierter Hall und Gitarrenmotive mit etwas Off-Beat-Feeling verstärken den Effekt.

Fazit: Ob Surfer oder Nicht-Surfer, ein bisschen Lust auf Wellen und Brandung hat noch keinem geschadet. Jules Ahoi & The Deepsea Orchestra liefern den besten Soundtrack um in die Ferne zu starren und vom Meer zu träumen. Oder natürlich den nächsten Atlantikurlaub zu planen.

Fil Bo Riva: eine Stimme für Unwetter und Lagerfeuer

Eine ordentliche Portion Melancholie und Herzschmerz hat Singer-Songwritern noch nie geschadet. Fil Bo Riva bringt die besten Voraussetzungen mit.

Nach Kindheit und Jugend in Rom und Dublin ist Fil Bo Riva inzwischen in der deutschen Hauptstadt angesiedelt. Neben einzelnen Singles sind seine Songs außerdem auf seiner vor zwei Jahren erschienenen EP If You’re Right, It’s Alright zu hören. Die Zeiten der Straßenmusik wurden für Riva damit von Solo-Tourneen und Begleitauftritten abgelöst.
Typisch Folk-Pop lässt er bei „Like Eye Did“ (If You’re Right, It’s Alright EP) die Akustikgitarre den Anfang machen, sanftes Zupfen, ein paar Slides, dazu ein bisschen Gesumme – und letzteres macht einen schon stutzig. Wenn Fil Bo Riva dann mit dem Gesang einsetzt, kann man tatsächlich nur noch staunen, was für eine wahnsinnige Stimme aus diesem jungen Lockenkopf herauskommt. Voll, tief und vor allem eins: rau wie Schmirgelpapier. Wo auch immer man über ihn stolpert – der Vergleich mit Henning May von AnnenMayKantereit lässt nie lang auf sich warten. Kein Wunder, dass er auf der Tour der Kölner 2015 als Vorband mit dabei war, und auch einen Milky Chance-Support nennt er schon als Referenz.

Fazit: Fil Bo Riva könnte eine der großen musikalischen Entdeckungen der nächsten Zeit sein. Die EP ist auch vielversprechend, fehlt also nur noch ein Debut-Longplayer, dann kann durchgestartet werden.

Yusuf Sahili: Brücke zwischen zwei Kulturen

What are we really doing on this planet? Where are we going? What will remain of us when we leave? And what are we running on before that will happen? – Yusuf Sahili stellt sich die ganz großen Fragen.

Sahili ist ein in Berlin beheimateter Indie-Musiker. Es ist noch gar nicht so lang her, da hat er nach zwei EPs mit seiner Single „No Way Out“ eine neue Veröffentlichung auf den Markt geworfen.
Zugegeben, seine Melodien sind nicht immer eingängig, manche Tonfolgen kommen unerwartet, trotzdem hört man gern und fasziniert zu und lässt sich von seiner relativ hohen Stimme, den stilvoll eingesetzten Begleitungen und Texten forttragen. Die Gitarrensoli sind oft eine aufregende Mischung aus rocktypischem Overdrive und orientalischen Skalen. Von sanfter Mehrstimmigkeit und unbeschwerten Melodien über folkige Guitarbackings bis zu echter Power ist Yusuf Sahili gut aufgestellt.

Fazit: Es gibt keine Schublade, in die dieser Musiker so einfach passt. Indie, etwas Rock, Folk, ein bisschen Reise um die Welt, Aufbruchsstimmung und Yusuf Sahilis feines musikalisches Gefühl machen den ganz einzigartigen Charakter seiner Musik aus.