Prince Jelleh im Interview: Die Antihelden unter den Rockbands

Wer noch keine Tickets hat: Ab dem 27. April ist die Schweizer Indie-Truppe Prince Jelleh auf Tour und macht Halt in München, Zürich, Stuttgart, Köln und Hamburg. Songwriter und Sänger Lukas und Drummer Samuel haben sich Zeit genommen und mit Musik unterm Radar über Beat-Basteleien, Nashville und ihre Konzerte mit The Gardener & the Tree gesprochen.

© Jonathan Labusch

Eure letzte EP habt ihr Porcelain genannt. Ihr singt in den fünf Songs unter anderem über moderne, fragile Männlichkeitsbilder. Auch Porzellan ist ja etwas sehr Zerbrechliches. War das der Hintergedanke zu diesem Titel?

Lukas: Ja, genau. Auf der EP gibt es den Song „Porcelain Fingers“. Hände verbindet man ja oft mit Stärke. Und Porzellan steht einerseits für Zerbrechlichkeit und andererseits auch für das Schöne an Zerbrechlichkeit. Porzellanfinger waren für mich deshalb eine schöne Metapher. Samuel und ich arbeiten auch beide als Illustratoren und sind visueller Kunst allgemein sehr verbunden.

Diese Woche startet eure Tour zur EP. Seht ihr euch eigentlich eher als Live-Band oder als Studio-Band?

Lukas: Mittlerweile macht uns das Studio auch wirklich Spaß. Das hat aber gedauert, wir sind schon eher eine Live-Band. Die sofortige Reaktion auf die Musik und die Energie vom Publikum ist einfach sehr besonders.

Samuel: Im Studio sitzt man viel am Computer oder Mischpult und diskutiert. Für mich ist es am schönsten, im Proberaum oder auf der Bühne zu sein, gemeinsam in dem Moment etwas Neues zu machen und sich auf den Ort einzulassen. Es kommt ja total drauf an, ob man in einem kleinen Club vor 40 Leuten spielt oder als Vorband für 800.

Als Vorband wart ihr schon mit The Gardener & the Tree auf Tour. Wie war das für euch?

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Bon Jour: weicher Alternative-Pop mit Grips

Vom DIY-Trio Bon Jour gibt’s bisher zwar erst drei Singles zu hören, dafür hat die Band gleich schon erste Erfolge gefeiert, unter anderem als Vorband für alt-J gespielt und schon so einige Klicks eingefahren. Neben der Musik haben die Österreicher vor allem auch Spaß an technischen Spielereien: Das Musikvideo zu ihrer zweiten Single haben sie von einer KI basteln lassen, auf ihren Pressefotos sind ihre eigenen Gesichter durch Avatare ausgetauscht und sie nennen sich konsequenterweise eine „3D-köpfige Band“.

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Live-Report: Begeisterte Fans bei Kat Frankie

Bei Kat Frankies Konzert am Freitag in Berlin stimmt alles: die Band, der Sound, die Fans – und der Star des Abends sowieso. Kat Frankie lacht viel, interagiert mit dem Publikum und wirkt wie die Ruhe selbst, schließlich ist das Konzert im ausverkauften Festsaal Kreuzberg für die langjährige Wahlberlinerin ein absolutes Heimspiel.

© Katharina Köhler

Die Berliner*innen haben lange gewartet auf diesen Abend. Nach coronabedingter Verlegung um ein Jahr startet pünktlich um acht Opener-Duo Theyy (Kats Bassistin Shanice Ruby Bennett zusammen mit Sängerin Erika Emerson) mit seinem genialen modern-souligen Sound und smoothem Bass.

Theyy spielten als Vorband.
© Katharina Köhler

Nach ihrer Vorband lässt Kat Frankie ihre Fans noch eine Weile warten, bis sie kurz nach neun auf der Bühne erscheint. Dafür legt sie direkt los mit dem fantastischen Titeltrack ihres neuen Albums „Shiny Things“. Danach der sphärischere Song „Healer“, den die Keyboarderin der Band mit tollem Gesangspart unterstützt – der Saal jubelt. Kat wirkt zwischen den Songs oft selbst ganz berührt von dem derart begeisterten Publikum.

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Bulgarian Cartrader: groovige Wundertüte

Der Sänger und Producer Daniel Stoyanov wurde in Sofia geboren und war erst Salsa-Tänzer, Background-Sänger und Songwriter (unter anderem für Casper und Seeed). Als Bulgarian Cartrader arbeitet er inzwischen in Berlin an seiner Solokarriere. Sein Debütalbum erscheint im November und eins ist wahrscheinlich: Das wird nicht das letzte Mal sein, dass wir von diesem Musiker gehört haben.

Bei Bulgarian Cartrader weiß man vorher nie, was einen erwartet: Loop-Melodien wie aus einem Retro-Videogame und Falsett-Stimme in „LAB“, eine nicht zu hundert Prozent gestimmte Akustikgitarre und Sprechgesang in „Golden Rope“ oder doch verkopfte Rhythmik und Mehrstimmigkeit in „Camden Free Public Library“? Der Musiker gehört halt in keine Schublade.

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The VOO: Alternatives Indie-Rock-Duo aus Hamburg

Dreamrocknroll ist nicht nur der Name des ersten Albums von The VOO, sondern beschreibt auch treffend den Musikstil der Band. 

Die Gründungsmitglieder von The VOO sind der Kontrabassist Andrew Krell und sein Ben Galliers, der für Gesang und Gitarre verantwortlich ist. Das Duo hat sich kurz vor der Pandemie in Hamburg kennengelernt und in ihrem ersten Jahr gleich ein Debüt-Album herausgebracht. Musikalisch ergänzten sich die beiden wunderbar auf spielerische Weise und der Sound ist alles andere als von der Stange. Beim Anhören taucht man ab auf eine Reise, die einen über 50er-Jahre-Surf bis Indie-Rock, von Psychedelic bis Alternative führt.
Seit dem plötzlichen Tod Andrew Krells Anfang des Jahres während der Aufnahmephase für das zweite Album führt Ben Galliers das Projekt nun allein fort und veröffentlicht im Oktober Brother VOO in Gedenken an seinen Band-Partner.

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Porridge Radio: kantiger Alternative-Sound

Sängerin und Gitarristin Dana Margolin, Schlagzeuger Sam Yardley, Keyboarderin Georgie Stott und Bassistin Maddie Ryall haben zuhause in Großbritannien schon mächtig Eindruck hinterlassen: Mit ihrer Band Porridge Radio wurden sie in einer Top-40-Liste des Guardian aufgeführt, die BBC spielte ihre Songs im Radio und ihr zweites Album war für den Mercury Award nominiert. Nach Rice, Pasta and other Fillers (2016) und Every Bad (2020) kommt im Mai das dritte Album der Band. Heißen wird es Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky.

Neben ihrem Händchen für coole Albumtitel haben die Vier auch einen ganz charakteristischen Sound entwickelt. Porridge Radio ist dabei keine Band der schönen Melodien und zarten Klänge. Die Truppe ist direkt, selbstbewusst und voller Ecken und Kanten – und genau das macht den besonderen Stil aus. Der Gesamtsound wird getragen von einer ungeschliffenen E-Gitarre, dem verspielten Keyboard und einer Frontfrau, die es so sicher kein zweites Mal gibt.

Fazit: Porridge Radio schrauben sich in ihren Songs bis zur Ausgelassenheit nach oben. Man hört: Die Musik ist vor allem auch für die Bühne gemacht. Es wird also Zeit, dass es die Band nach der Zwangspause hoffentlich bald wieder live zu hören gibt.

The Districts: sphärischer Rock

In ihren Musikvideos strahlen The Districts zuweilen eine gewisse emotionale Teilnahmslosigkeit aus. Diese Art der rockstarhaften Coolness mag nicht bei jedem funktionieren, dem Trio nimmt man sie aber gerne ab – auch deshalb, weil sie bei ihrer Musik dafür ganz bei der Sache sind.

Angefangen haben The Districts in Pennsylvania als Schülerband, die sich ganz dem Classic Rock verschrieben hatte. Die Veröffentlichung ihres Debüt-Albums hat die Band 2012 noch allein gestemmt. Inzwischen sind sie bei Fat Possum Records unter Vertrag – dort erscheint im März auch ihr neues Album Great American Painting. Aktuell sind die drei auf Tour in Europa unterwegs, Mitte Februar verschlägt es sie auch für ein paar Gigs nach Deutschland und in die Schweiz.
The Districts haben über die Zeit einen charakteristischen Sound aus kaum erwartbaren Melodien, vielseitigen Gitarrenmotiven, markanter Bass Drum und in den Hintergrund eingestreuten musikalischen Details fabriziert. Insgesamt haben die Songs der Band trotz der rockigen Wurzeln etwas Sphärisches. Passend dazu sind auch die Musikvideos oft eher abgedreht und unkonventionell.

Fazit: The Districts experimentieren mit Rock-Sound in verschiedensten Facetten.

Matija: Zwischen Extase und Melancholie

Angefangen haben Matija mal als Schülerband. Inzwischen haben sich die Münchner mit ihrer Mischung aus ganz eigenem Sound und Retroanklängen einen Namen gemacht.

Frontmann und Sänger von Matija ist Matt Kovac, Jan Salgovic liefert Gitarre, Piano und Synthesizer dazu und Sami Salman sorgt für die Beats. Bei Bedarf werden auch mal Flöte oder Orgel rausgeholt. Die drei machen schon seit der Schulzeit zusammen Musik. 2017 erschien das erste Album byebyeskiesofyesterday, außerdem spielten sie auf diversen Festivals und traten als Vorband von Bands wie The 1975, Wanda und Catfish & The Bottlemen auf.
Ihre Musik verortet die Band selbst auf dem Indie-Spektrum irgendwo zwischen Extase und Melancholie. Auf jeden Fall gehen die Melodien leicht ins Ohr und Matija haben merklich Spaß daran, sich auszuprobieren und mit verschiedenen Sounds zu spielen. So kommen ganz unterschiedliche Ergebnisse heraus – auf der einen Seite etwa das temporeiche, tanzbare „Ultrasuede“, auf der anderen Seite ruhige und träumerische Songs wie „byebyeskiesofyesterday“ oder „absolutelynothing(today)“.

Fazit: Der Sound Matija lässt sich nicht so einfach festnageln. Auf Sänger Matt und seine charakteristische Stimme ist Verlass, ansonsten toben sich die drei in verschiedene Richtungen aus – langweilig wird’s dabei also auf jeden Fall nicht.

Florian Ehrmann: Stuttgarter Indie-Soul-Pop

Als Siebenjähriger entdeckte Florian Ehrmann die Gitarre für sich. Es hat nicht lang gedauert, bis er sich auch an ersten Liedtexten ausprobierte. Inzwischen scheint der Stuttgarter Künstler musikalisch angekommen zu sein.

Florian Ehrmann hat als Solokünstler eine kleinere EP und zwei Singles veröffentlicht, die nächste EP folgt im Dezember auf Bandcamp. Außerdem schreibt er Musik für Film und Werbung und hat ein Faible für Fotografie und Dokumentarfilme, was auch in seinen Musikvideos durchblitzt. Bei Auftritten ist der Singer/Songwriter bisher meist solo unterwegs.
Florian Ehrmanns Musik strahlt Lebendigkeit ab und dabei ist es ganz egal, ob der ganze Song rhythmischen Schwung mitbringt wie „Beautiful Woman“ oder ob der Sound etwas düsterer daherkommt wie in „Beautiful Day“. Hin und wieder baut Florian Ehrmann auch für einen Singer/Songwriter etwas untypischere Ideen ein – je nach Song sind das etwa eine Flöte, elektronische Elemente oder aufgedrehte perkussive Rhythmen.

Fazit: Eingängige Melodien, eine angenehm gelassene Stimme und das ein oder andere unerwartete Detail gibt es bei Florian Ehrmanns Songs zu entdecken. Man darf gespannt sein, was noch kommt.

Marla und David Celia: zwei Stimmen voller Ausdruckskraft

Die Lieder von Marla und David Celia haben etwas Geheimnisvolles. Neben der spielerischen Leichtigkeit vieler Passagen kommt immer auch eine gewisse Tiefe zum Vorschein.

Kennengelernt haben sich die deutsche Sängerin, Gitarristin und Cellistin Marla und der kanadische Sänger und Multiinstrumentalist David Celia auf einem Konzert. Damals beide noch solo unterwegs, begleitete Marla daraufhin zuerst David Celia auf dessen Deutschland-Tour und folgte danach der Einladung, ihr Album in seinem Studio aufzunehmen. Aus dem ursprünglichen Plan (Musik aufnehmen: ja – verlieben: nein) wurde allerdings nichts, sodass das Paar nun seit inzwischen fünf Jahren als Duo zu hören ist. Im Laufe der Zeit durften sie unter anderem als Vorband von Kiefer Sutherland auftreten, sind quer durch Russland getourt und haben mit Daydreamers und Indistinct Chatter zwei gemeinsame Platten veröffentlicht.
Bei Marla und David Celia treffen zwei charakterstarke Stimmen aufeinander. Trotzdem stehlen sie einander nicht die Show, sondern verschmelzen zu berührender Zweistimmigkeit und tollen Harmonien mit Tiefgang. Gefühlvoll und dezent bettet die Instrumentalbegleitung den Gesang der beiden in ein Geflecht aus melodischem Klang und behutsamer Spannung und Rhythmik ein.

Fazit: Wie in ihrer eigenen Welt klingen Marla und David Celia in ihren Sphären aus harmonierenden Stimmen und wohldurchdachten Arrangements.