Zum 56. Jahrestag der Stonewall Riots veröffentlichte Dressed Like Boys im Juni mit „Stonewall Riots Forever“ ein queeres Statement. Der belgische Musiker Jelle Denturck schafft mit zartem Art-Pop und tiefgreifender Lyrik ein musikalisches Denkmal. Er ist gleichzeitig persönlich und politisch – und beweist damit zwar Haltung, braucht aber keinen Pathos.
Dressed Like Boys ist das Soloprojekt von Jelle Denturck, bekannt als Sänger der belgischen Indie-Rock-Band DIRK. Während bei DIRK. auf kantigen Gitarren gebaut wird, klingt Dressed Like Boys wie ein melancholischer Sonntagmorgen mit David Bowie und Nina Simone im Ohr. Statt lautem Protest ein Piano, ein Cello und ein flammender Text.
Mit mehr als acht Millionen Spotify-Streams zählt Carla Ahad jetzt schon zu den spannendsten jungen Stimmen der deutschen Musikszene. Seit 2021 hat sie über 20 Singles veröffentlicht und liefert konstant neue Musik.
Der Festival-Sommer 2025 hat für Carla Ahad längst begonnen – doch bevor es in die sommerliche Release-Pause geht, hat die Musikerin mit „Ich könnt ans Meer“ ihren ganz eigenen Sommerhit herausgebracht. Ein musikalisches Polaroid zwischen Stadtleben und Sehnsucht. Her mit den lauen Abenden, offenen Fenstern, und einfach mal die kleinen Dinge feiern! Mit einer Mischung aus urbaner Leichtigkeit und Melancholie singt Carla von Wetter, Wolkenbildern und Momenten, die wie Zitrusfrüchte prickeln.
Manchmal reicht ein einziger Satz, um all das zu sagen, was zu spät gesagt wurde. Bedroom June schafft das mit ihrer Single „How Much I Wanted You“ von ihrer Debüt-EP auf ganz besondere Weise. Der Song hat ein bisschen was von einem Tagebucheintrag, den man eigentlich nie veröffentlichen wollte.
„How Much I Wanted You“ ist ein Eingeständnis über den Schmerz, jemanden erst wirklich zu vermissen, wenn er nicht mehr da ist. Mit verletzlicher Stimme fängt Bedroom June eine Mischung aus Sehnsucht, Reue und dem Ringen um Selbstverständnis ein. Der Track beginnt sanft und zurückhaltend, bevor verzerrte Gitarren und treibende Drums die innere Zerrissenheit und Überforderung hörbar machen. Vokale Harmonien im Refrain schaffen einen Moment der Ruhe, ehe die Intensität des Songs in einem emotionalen Ausbruch endet.
Neulich, am vermutlich heißesten Tag dieses Jahres lief ich vom Bahnhof durch die City, vorbei an dem neuen Bibliotheksgebäude, vor dem die Stadt unbequeme Bänke installiert hat, auf denen niemand sitzen kann, dessen Körper nicht durch eine Laune der Natur oder widrige Umstände die Form eines Geodreiecks hat. Oder du machst es wie der junge Mann, der mir auffiel, oberkörperfrei in der Gluthitze, schlägst der amtlich verordneten Unbequemlichkeit mit Körperspannung ein Schnippchen und wirst zur Hypotenuse.
Der Typ, lass ihn sechzehn bis achtzehn Jahre jung gewesen sein, war smart, blond, drahtig, Boyband-hübsch, trug eine wirklich ausgefallene Schlaghose und – ein Fleck auf einem schönen Gemälde, ein Makel in der jugendlichen Reinheit – er rauchte einen Joint.
Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.
nand ist Sänger, Architekt, Produzent, Trompeter und ein echtes Indiepop-Electro-Phänomen. In einem sehr persönlichen Gespräch hat er mit unserer Autorin über den frühen Tod seiner Mutter und die Mobbingerfahrungen in seiner Kindheit gesprochen und erzählt, wie er trotz aller Struggles schließlich zu seiner eigenen Stimme gefunden hat. Innerhalb von fünf Jahren hat nand bereits fünf Alben releast, ein weiteres ist in Arbeit. Auf der Tour zu seinem aktuellen Album Träume in Beton hat er sich vor seinem Konzert in der Grellen Forelle in Wien Zeit genommen für ein Käffchen und ein Interview unter blauem Himmel.
Musik unterm Radar: Dein neues Album heißt „Träume in Beton“. Das klingt erst einmal nach einem Widerspruch. Warum hast du das Album so genannt?
nand: Da müssen wir zum Ursprung zurück: Ich habe ja Architektur studiert. Beton war mal ein Baustoff, der in der Architekturbranche als sehr revolutionär galt. Auf der anderen Seite ist Beton ein sehr kühler Baustoff und viel weniger menschenfreundlich als Holz zum Beispiel. Holz ist ja theoretisch ein unendlicher Rohstoff, man kann immer wieder Bäume nachpflanzen. Beton und Sand sind aber endliche Baustoffe und langfristig gedacht beeinflusst unser Konsum die Flora und Fauna auf der Welt. Sand, der für den Bau benutzt wird, wird an Stränden abgetragen und verschifft.
Über mein Architekturstudium habe ich gemerkt, dass sehr viele Dinge in der Welt passieren, die wenig für den Menschen und unsere Umwelt gemacht sind. Wir sind mehr für den Kapitalismus gemacht und weniger für zukunftsträchtige Träume. Ich verspüre auch Wut, dass der Kapitalismus so viel kaputt macht und Subkulturen auffrisst, aus denen dann durch einen Trend auf TikTok irgendein Mainstream wird. Deshalb auch dieser bewusste Kontrast aus Träumen und Beton in dem neuen Album.
Hast du immer noch vor, Architekt zu werden? Ist das dein Plan B, falls es mit der Musik nichts wird?
Der Sound von ENGIN mischt moderne Rockmusik mit alten türkischen Klängen. Man hört Einflüsse von psychedelischer Musik (wie bei Pink Floyd), aber auch von türkischen Künstlern aus den 60er- und 70er-Jahren wie Barış Manço oder Cem Karaca. Das ergibt einen spannenden Mix aus E-Gitarren, groovigen Rhythmen und einer ganz eigenen Stimmung, die mal ruhig, mal tanzbar ist.
Die Mannheimer Band macht Musik, die nicht nur gut klingt, sondern auch etwas erzählt. Der Song „Messer“ zum Beispiel thematisiert zweisprachig auf Deutsch und Türkisch Themen wie Trennung, Wut und Verletzlichkeit. Dabei geht es nicht nur um Liebeskummer, sondern auch um Identität, Zugehörigkeit und das Gefühl, zwischen zwei Kulturen zu leben. Aber mit einem eigenen Twist: Deutsch und Türkisch verschmelzen in den Lyrics zu einem emotionalen Ausdruck, wie ihn eine einzelne Sprache vielleicht gar nicht leisten könnte.
Indie-Rock trifft auf tiefgründige Texte, Melancholie und eine kleine Prise Klassik – so oder so ähnlich würde ich die Musik von Mary Middlefield beschreiben. Die Eltern aus Deutschland und Österreich, aufgewachsen in Lausanne in der Schweiz – den DACH-Raum sollte sie also allein dadurch eigentlich schon in der Tasche haben. Mittlerweile lebt sie in England, wo sie 2024 am berühmt-berüchtigten Glastonbury Festival auf der „BBC Introducing“-Bühne für Newcomer auftreten durfte. Mit ihren Songs „Bite me“ und „Will you read my mind?“ läutet Mary inzwischen eine neue Ära ein und schafft gleichzeitig eine passende Erweiterung zu ihrem bisherigen Musikkatalog.
Eine Mischung aus sanften Feel-Good-Songs und melancholischen Klängen – die niederländische Band Elephant sind eine starke Ergänzung für die Indie-Playlist.
Hinter der Band stecken die vier Freunde Frank Schalkwijk (Gesang, Gitarre), Michael Broekhuizen (Gesang, Gitarre), Bas Vosselmann (Gesang, Bass, Gitarre) und Kaj van Driel (Drums) aus Rotterdam. Ihre Lyrics sind geprägt von erfrischendem Optimismus und Unbeschwertheit: “I thought here comes the rain again, here comes the rain. Here comes the rain again, but the sunshine falls upon my face”.
SHIMMER. aus Stuttgart stehen für poppigen Indie mit Einflüssen aus Disco, Funk und House. Ihre erste EP Vermissen erschien im vergangenen Jahr, seitdem war die Band viel unterwegs, hat ihre erste Tour in Eigenregie organisiert, Festivals gespielt und war gerade erst auf ihrer zweiten Deutschlandtour unterwegs. Vor ihrem Konzert in Heidelberg haben sich Mark (Gesang/Gitarre), Joscha (Bass), Felix (Keys & Synths) und Finn (Drums) Zeit für ein Interview genommen.
Musik unterm Radar: Obwohl es SHIMMER. noch gar nicht lang gibt, habt ihr schon eine EP und mehrere Singles veröffentlicht und seid jetzt das zweite Mal in ganz Deutschland auf Tour. Wie kommt ihr auf euren hohen Output?
Felix: Wir haben einfach Feuer unterm Arsch. Joscha: Andere Bands zerbrechen sich oft lang den Kopf über etwas, und wir machen einfach. Wir haben uns gedacht, dass es nicht so schwer sein kann, auf Tour zu gehen und sind das einfach angegangen. Felix: Wir haben eine gemeinsame Vision vor Augen und ziehen alle zusammen an einem Strang. Mark: Wir haben die erste Tour geplant, noch bevor wir unsere erste Single gedroppt haben.
Wie habt ihr euch kennengelernt?
Joscha: Alles begann damals, 2004, im Sommer in der Krabbelgruppe. Da haben Felix und ich uns kennengelernt. Felix: Seitdem sind wir Atzen! Ich hab’ Finn dann über eine Salsa-Band der Stuttgarter Musikschule kennengelernt. Zu Beginn hatten wir ein Trio. Mark: Und ich kannte Finn, weil mein Vater auf seiner Schule unterrichtet hat und wir einen ähnlichen Freundeskreis hatten. Nach meinem ersten eigenen Festivalauftritt kam dann die Idee, zusammen Musik zu machen.
Nach einem Jahr Pause und dem Umzug aus Berlin hatte der Preis für Popkultur am 23. April 2025 endlich wieder seine große Bühne – diesmal direkt am Rhein. Die Rheinterrasse in Düsseldorf war gut gefüllt, die Stimmung elektrisiert und das Line-up so divers wie die Poplandschaft selbst. Zwischen Preisvergaben, politischen Messages und musikalischen Highlights wurde deutlich: Die Popkultur lebt.
Den Auftakt machte die Staatssekretärin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, Gonca Türkeli-Dehnert. In ihrer Rede hob sie hervor, Popkultur könne mehr als nur die Charts zu stürmen – sie zeige Haltung, stoße Gespräche an und bewirke Veränderung.
Gerade für junge Menschen, die Pop lieben und leben, sei es wichtig, zu erkennen, dass Erfolg sich nicht nur an Klickzahlen oder Streams misst, sondern daran, was man bewegt und wie man andere berührt. „Mit dem Preis wird zudem ein Zeichen für Vielfalt, Offenheit und Respekt gesetzt.“
Die Eröffnung auf der Bühne? Laut und deutlich. Die Band Gewalt spielte ihr Stück „Trans“ und brachte direkt zu Beginn ein starkes Statement für Toleranz und Vielfalt. Danach ging’s Schlag auf Schlag mit den Preisverleihungen – von Paula Hartmann (gleich zweimal ausgezeichnet) über K.I.Z., die mit „Frieden“ den Lieblingssong des Jahres lieferten, und Berq, der die Auszeichnung als “Hoffnungsvollste:r Newcomer:in” erhielt, bis hin zu Szenegrößen wie Casper und Kim Frank, die für ihre Bühnenpräsenz und Erzählkunst geehrt wurden.