Eine Brücke zwischen Ost und West zu schlagen – kein geringeres Ziel haben Thomas Woschitz und Stefan Wandel sich auf die Fahne geschrieben. Die beiden Musiker haben mit dem OSTAR Music Network eine Initiative ins Leben gerufen, die ganz praktisch Musikschaffende unterstützt und Kontakt aufbaut. Mit ihrem Projekt wollen sie den Austausch zwischen Musikerinnen und Musikern aus ehemaligen Sowjetländern und Westeuropa fördern und aufsteigenden Talenten den Weg in die musikalische Professionalität ebnen. Wie genau sie dieses Herzensthema angehen, verraten die beiden im Interview.

Thomas Woschitz und Stefan Wandel vom OSTAR Music Network.
© Georg Kruggel
Musik unterm Radar: Wie seid ihr auf die Idee gekommen das OSTAR Music Networt zu gründen?
OSTAR: Durch viele Zufälle kam es dazu, dass Stefan zusammen mit seiner Band auf dem Nonprofit-Musik-Festival URAL Music Night in Jekaterinburg, Russland, auftreten durfte. Das findet zur Sommersonnenwende statt, der kürzesten Nacht im Jahr. Tom war damals der Bandmanager und ist ausnahmsweise für den verhinderten Bassisten eingesprungen. Anders als erwartet, wurden wir nicht auf einer Nebenbühne abgestellt, sondern durften auf einer der Hauptbühnen vor 5000 Menschen auftreten. Diese unglaubliche Stimmung zu erleben und zu sehen, wie die Zuschauer unsere Lieder mitsingen, war einfach unglaublich. An diesem Abend haben wir die Initiatorin des Festivals kennengelernt und in den frühen Morgenstunden beschlossen, gemeinsam ein Musik-Camp zu starten. Unterstützt wurde die Idee durch viele coole Leute, die wir dort kennenlernen durften, die so Bock hatten Musik zu machen und uns mit Fragen zur Musikindustrie in Europa gelöchert haben. In der Euphorie des Moments beschließt man oft Dinge, die bald vergessen sind, aber zwei Wochen nach dem Trip nach Russland war eine Mail von ihr im Postfach. Ein Jahr danach, im Juni 2018, hat dann das erste URAL Music Camp stattgefunden.
Also war die Idee ein Musik-Camp aufzubauen der Grund für euch, das OSTAR Music Network zu gründen?
Genau, die Idee für das Camp war der Startschuss, ein Netzwerk aufzubauen, um in Zukunft mehr Events und ähnliche Angebote anzubieten.
Und was genau passiert im URAL Music Camp?
Das Camp ist acht Tage lang und in dieser Zeit lernen die 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer je nach ihren Interessen und Stärken so viel wie möglich über Musikmanagement oder wie man neue Songs promoten kann. Natürlich steht die musikalische Förderung bei allem im Mittelpunkt. Als Challenge für die Teilnehmenden müssen sie in dieser Zeit als kleine Teams ihren eigenen Song schreiben und produzieren und am Ende der Woche in einer Live-Show in einem lokalen Club aufführen. Wie sich in dieser kurzen Zeit die Teams zusammenfinden und eine Einheit bilden und musikalisch wachsen, ist toll mit ansehen zu dürfen.
Das klingt inspirierend! Was bietet ihr ansonsten über das OSTAR Music Network an?
Wir bieten einige kleinere Workshops an, testen momentan noch viele neue Formate und vom 26. bis 28. November findet dann das East X West International Songwriting Camp statt. Dort werden an einem Wochenende Teilnehmer aus Deutschland, Russland und anderen Post-Sowjetländern zusammen mit Coaches aus ganz Europa Songs für Verlage schreiben. Das bedeutet, dass kleinere Teams in knapp drei Tagen ein Lied für jemand anderes schreiben. Dabei müssen sie ihre eigene musikalische Vorliebe außen vor lassen und werden herausgefordert, kreative Blockaden zu überwinden. Zusätzlich zu diesem Songwriting-Camp bieten wir zwei Masterclasses an, die für alle zugänglich sind.
Wir haben jetzt schon viel über Russland gehört, welche Rolle spielt eigentlich Musik dort?
Der Beruf des Popmusikers ist dort bisher zum Beispiel noch nicht so anerkannt wie es bei uns aktuell in Deutschland der Fall ist. Dazu kommt, dass es zwar Bildungsangebote im Bereich Popmusik auch außerhalb von Moskau gibt, diese aber den Bedarf bei weitem nicht decken und noch in einem sehr frühen Stadium sind. Es hat zwar ein Wandel in den letzten fünf Jahren stattgefunden, den wir miterlebt haben, aber obwohl es beispielsweise ein Copyright gibt, wird es trotzdem oft nicht transparent angewandt. Das erschwert es sehr für junge Musiker, mit ihrer Musik Geld zu verdienen und zu wachsen. Durch die Nähe zu China spielte TikTok schon früher als in Europa eine große Rolle in Russland und es ist schön zu verfolgen, dass sich dort neue Möglichkeiten ergeben, eigene Musik zu teilen. Livemusik wird dort außerdem anders wertgeschätzt als in Deutschland, vielleicht sogar ganz Europa. Die Menschen dort haben Bock auf Konzerte zu gehen von Bands, die sie nicht kennen. In Deutschland haben die Leute vielleicht eher Lust Bier zu trinken und sich zu unterhalten, was auch völlig okay ist, aber dort werden garantiert alle in der Bar mit Livemusik sein! Auf Konzerten in Russland hatten wir Momente, die wir so in Europa noch nicht erlebt haben, vor allem, wenn du als unbekannter Act spielst.
Wie geht es weiter mit OSTAR?
Als konkretes Ziel möchten wir deutsche Musiker*innen mit nach Russland nehmen, um den beidseitigen Austausch zu fördern. Als Vision möchten wir ein digitaler Hub zwischen Ost- und Westeuropa werden und Menschen, die auf der Schwelle zur Professionalität in der Musik stehen, zusammenbringen, ihnen unter die Arme greifen und sie international vernetzten. Wir möchten eine Plattform schaffen, von der alle profitieren können, wo Vorurteile abgebaut werden können und mit der wir den sozialen Aspekt des Ganzen fördern.
Was wünscht ihr euch für die Musikindustrie allgemein und für Ost- und Westeuropa speziell?
Auf jeden Fall mehr Livekonzerte! Auch dass das DIY-Musik-machen stärker wächst und dass solche Musiker mehr Gehör bekommen – das gilt für Ost- und Westeuropa. Wir würden uns wünschen, dass vor allem das Publikum in Westeuropa wieder mutiger wird sich neue Acts anzuschauen. Wenn man sich Russland anschaut, gibt es im Vergleich zu Europa viel weniger Infrastruktur rund um die Musik und trotzdem funktioniert so viel. Die Leute haben einfach Bock und eine Leidenschaft, die wir dort so viel sehen durften, die fehlt hier ein bisschen in der Musikindustrie – das ist jetzt eher der emotionale Talk…
Lieber Tom, lieber Stefan, vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte
Julian Hubert