Scott-Pilgrim-Comics, Batman-Träume und Dream Pop aus L.A.

Ich verbringe viel Zeit auf Bahnhöfen und warte auf Züge. So viel Zeit, dass es sich lohnen würde, dort ein Business zu starten. Drogen, Prostitution, Pfand sammeln, betteln, alles außerhalb meiner Kompetenzzonen oder bereits vergeben. Deshalb investiere ich die Wartezeit gern in etwas Heilsames: Weltflucht und Träumerei. Bevorzugt durch das Lesen von Comics. 

Comics lesen meine Kinder, sagen die Ahnungslosen. Comics sind ein Medium, kein Genre, entgegne ich. Das ist ähnlich dumm, wie zu sagen, meine Kinder schauen Filme… Ebenso schlimm: Ich lese keine Comics, ich lese Graphic Novels. Ja, klar!


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


Neulich las ich Scott Pilgrim Band 3, sprach ein Fremder mich an, der wie Jesse Eisenberg aussah. Es wäre noch cooler, hätte er ausgesehen wie Michael Cera, der ja Scott Pilgrim in der Realverfilmung spielt, aber es war wie es war. Jesse wollte wissen, ob das ein neuer Pilgrim wäre, was ich wahrheitsgemäß verneinte. Wir versicherten uns gegenseitig, wie fantastisch dieses Comic ist, schwiegen verlegen, dann wünschte ich einen schönen Tag und ging. Das allerdings beschwingt und gut gelaunt, weil es mich erfreute, einen Gleichgesinnten getroffen zu haben. Der Mensch möchte gesehen und in seinem Tun bestätigt werden. Im Außen. Der Blick nach innen folgt anderen Gesetzen. 

In unseren Träumen führt David Lynch Regie. Neulich nachts fand ich mich in einer in Sepia getönten Halle wieder, in der menschengroße Fledermäuse kopfüber schlafend in Futterbuchten hingen. Ich fühlte keine Bedrohung, selbst nicht, als sie erwachten und auf mich aufmerksam wurden. Sie entdeckten meine nicht so gelungene Batman-Tätowierung, aufgrund derer sie mich als eine der ihren identifizierten. Aufgewacht identifizierte ich, dass diese Tätowierung tatsächlich etwas verkackt ist, weshalb ich sofort einen Termin beim Tattoo-Artist meines Vertrauens vereinbarte. Ich kann also behaupten, ich lebe meine Träume. Irgendwie.

Anders verträumt, eher lieblich, der Dream Pop. Ätherische, oft gehauchte oder stark nachhallende Stimmen. Dichte Klangschichten, erzeugt durch Effekte wie Reverb, Echo und Chorus. Melancholie und Zerbrechlichkeit. Lush und Mazzy Star, in den frühen Neunzigern Vorzeigeexemplare dieses Genres, das etwas in den Hintergrund trat, als der Grunge mit seinem dicken Hintern den Blick versperrte. Ein Comeback mit Beach House in den Nullern. Heutzutage, wo alles friedlich koexistiert und langweilig dahin plätschert, verschwenden Menschen ihre kostbare Zeit mit Cigarettes After Sex. Dabei hat das Genre ernsthaft was zu bieten.

“I Only Exist When You See Me“ würde eine narzisstische Entität eingestehen, wäre sie zur Selbsterkenntnis in der Lage. Dies ist gleichzeitig der Titel der aktuellen Single der hyps, einem Duo aus Los Angeles, den Musikerinnen Keena Batti und Molly Falck. 

„New Wave, Post-Break-up-Bop“ nennen sie, was sie tun. Ich nenne es Dream Pop, Shoegaze, Indie. Egal wie man es nennt, der Breitband-Sound und die tanzbaren Grooves im entspannten Tempo, die Spätsommer-Traurigkeit und die einschmeichelnden Vocals schicken mich auf einen schönen Tagtraum zwischen gestern und morgen. Die hörenswerte Discographie der hyps umspannt lediglich eine weitere Single und eine EP. Bei deren Genuss träume ich von einer Welt, in der Hunde und Katzen Freunde sind und es neue Scott-Pilgrim-Comics gibt. Wovon träumst du?

Autor:

René Grandjean

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