Varley: Berlin-based Indiepop

VarleyFrontfrau Claire-Ann wurde in Dublin geboren, nennt inzwischen aber wie ihre deutschen Musikerkollegen Joschka Bender und Matthias Heising Berlin ihre Homebase. Ihre erste EP hat das Trio 2019 herausgebracht, das Debut-Album – ein Produkt des ersten Lockdowns – wollen sie im Laufe des Jahres veröffentlichen.
Als Vorboten aus dem geplanten Album gibt es jetzt unter anderem schon mal die Single „Bubble Up“ zu hören. Besonders cool: Neben der ruhigen Melodie und der klaren Gesangsstimme bauen Varley hier zwischen durch immer mal unerwartete, synkopische Rhythmen ein. Dazu kommt, dass sich die drei Bandmitglieder auch gerne mal an verschiedenen Instrumente ausprobieren. Klanglich hält sich die Band also trotz der kleinen Besetzung viele Türen offen.

Fazit: Varley scheint zu den Bands zu gehören, die aufkeimende Langeweile oder jegliche Art von Negativität direkt kreativ verarbeiten – sei es Album-Arbeit statt Lockdown-Koller, Songideen dank schlechter Erfahrung im Job oder Multiinstrumentalismus statt Standard-Besetzung.

Anna Leone: Gitarren-Folk mit Charakter

Die tolle, gefühlvolle Stimme kann Anna Leone wohl ihr Markenzeichen nennen – in Ergänzung mit dem meist minimalistisch gehaltenen Instrumentalunterbau sorgt sie für einen Sound mit Tiefgang.

2018 erschien die erste EP der Schwedin. Seit März ist mit Still I Wait die zweite EP von Anna Leone zu haben und auch ein Album ist schon in der Mache. Bis Herbst ist hier aber wohl mindestens noch Geduld angesagt.
Viel braucht Anna Leone nicht für ihre Musik: ein paar melancholische Akkorde, beständiges Gitarren-Fingerpicking und ihre nachdenkliche Stimme. Auf unverfälschte, rohe Art singt die Musikerin und lässt dabei trotz oft zarter Melodien auch das Volumen ihrer Stimme durchblitzen. Friedlich klingen ihre Songs, könnte man sagen. Und gleichzeitig erahnt man eine bezeichnende Tiefe und Reife.

Fazit: Anna Leone ist eine besondere Entdeckung. Ihre Musik geht leicht ins Ohr, ist ausgesprochen schön und bringt auch eine Portion Eigenwillen mit. Schade nur, dass wir bis zum ersten Album noch warten müssen.

Old Sea Brigade: Roadtrip-Sound aus Nashville

Ursprünglich kommt der Musiker Ben Cramer aus Georgia, inzwischen lebt er in Nashville. Dort hat er 2015 sein Solomusikprojekt Old Sea Brigade auf die Beine gestellt. Nach mehreren EPs, einem Debut-Album und einer Kollaborations-EP mit Luke Sital-Singh hat der Musiker für Mitte Mai sein nächstes Album angekündigt.

Mit einer sanften Art und gleichzeitig verlässlichen Stetigkeit vermittelt die rauchige Stimme des Musikers den Eindruck, als sei dieser so schnell durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Viel Bewegung in der Begleitung und die Unterlegung mit Beats steigern Tempo und Drive der Songs. Bei Themen wie der Suche nach den eigenen Wurzeln und der Rolle zwischenmenschlicher Beziehungen schimmert auch immer wieder eine vorsichtige Melancholie durch.

Fazit: Mit einem eigenen Stil kombiniert Old Sea Brigade eingängige Melodien mit mehrschichtiger Begleitung und einem Gefühl von innerer Ruhe.

Lennart Schilgen im Interview: „Frontmann zu sein, musste ich mir erst erarbeiten.“

Meist reicht Lennart Schilgen eine Liedzeile, um ein altbekanntes Wort so umzudeuten, dass man plötzlich vor ganz neue Tatsachen gestellt wird. Simple Kalauer kommen hier allerdings nicht heraus, stattdessen clever umgedrehte Wirklichkeiten und elegante Wortwitze. Ob solo oder bis 2018 noch in Bandformation hat Lennart Schilgen zahlreiche Preise abgestaubt und reihenweise Konzerte und abendfüllende Kleinkunstprogramme hinter sich gebracht. Mit seiner EP Populärmusik, die am 9. April erscheinen wird, zieht es den Berliner Liedermacher jetzt zu neuen Ufern: Mehr Richtung Pop soll es gehen, dafür etwas weniger Comedy-Charakter. Auf die ein oder andere textliche Wendung und ein musikalisches Augenzwinkern kann man sich zwischen Kapitalismuskritik, Stalker-Figuren und einem Paar, das sich nur mit geschlossenen Augen blind versteht, natürlich trotzdem verlassen.

© Marcel Brell

Musik unterm Radar: Lieber Lennart, bevor wir über deine EP reden, muss ich dir gestehen, dass ich dich schon einmal auf einer Bühne gesehen habe. Ich war 2017 mal auf einem Konzert deiner damaligen Band Tonträger in der Bar jeder Vernunft hier in Berlin. Und ein Highlight des Abends war für mich, wie du eine Art Chanson auf Französisch gesungen hast und im Laufe des Liedes plötzlich von der Bühne aus über die wackligen Tische der recht gut betuchten Gäste spaziert bist. Dabei hast du dann unter anderem das Glas Weißwein einer Zuschauerin ausgetrunken.

Lennart Schilgen: Oh Gott, da warst du dabei? (lacht) Es ist so absurd, dass dieser Moment mich jetzt wieder einholt. Das war das zweite Programm von Tonträger, ziemlich bald danach haben wir uns nach 15 Jahren aufgelöst. Aber das war tatsächlich einer der Momente, wo ich am meisten aus meiner Komfortzone rausmusste. Die anderen haben gesagt: „Komm, mach das! Das ist cool, das ist witzig.“ Als Zugabe war das dann auch in Ordnung und diese Art davon, sich mal etwas zu trauen, das kann man in der Bar auf jeden Fall machen.

Bisher gab es von dir ja nur Live-Aufnahmen zu hören, unter anderem auch aus der Bar jeder Vernunft. Populärmusik wird jetzt deine erste Solo-Studioveröffentlichung. Wie ist die EP entstanden und wie hast du die fünf Lieder ausgewählt?

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Jason Pollux: alternativer Electropop

Das Duo Jason Pollux bastelt durchdachte Electro-Songs – und das übrigens ganz ohne Sounds vom Laptop.

Sängerin und Keyboarderin SÆM und ihr Bandkollege Michael Burger, der sich bei Jason Pollux um Synthies und Beats kümmert, haben 2019 gemeinsam ihre erste EP Escape veröffentlicht. Nach verschiedenen Clubkonzerten, Festivals und Online-Gigs steht für dieses Jahr außerdem eine Nachfolge-EP auf dem Plan.
Jason Pollux schöpfen die atmosphärischen Möglichkeiten ihrer Soundspielereien voll aus. So entstehen Songs mit einerseits meditativen, sich wiederholenden Klangschnipseln und andererseits einer Vielzahl von eingestreuten Ideen. Die eindringliche Stimme von SÆM tut ihr Übriges und macht die Musik zu einer runden Sache.

Fazit: Wer genau hinhört, kann bei Jason Pollux viel entdecken. Wie ein Puzzle fügen sich die kleinteiligen Soundelemente mit der bestechenden Lead-Stimme zusammen.