Punk‘s not dead: Kate Clover live im Kulturhaus Insel

Es gibt sie doch noch, die originalen Underground-Konzerte, die von der Kommerzialisierung der Musikindustrie bisher verschont geblieben sind – Kate Clover ist der beste Beweis. Am Donnerstagabend konnte man die kalifornische Punk-Sängerin live im Kulturhaus Insel in Berlin erleben.

Spätestens als die Gitarren einsetzen und das Publikum in Bewegung kommt, ist klar: Kate Clover macht keine halben Sachen. Elektrisierend ist ihre Bühnenpräsenz, bemerkenswert ihre Energie. Es ist nicht verwunderlich, dass man es Sekunden nach Showbeginn aus dem Publikum schreien hört: „Punk’s not dead!“ Ein paar mehr Zuhörer*innen hätte man der Künsterlin zwar gewünscht – dennnoch entlädt sich in der kleinen Location in Berlin-Treptow eine ausgelassene Stimmung und man spürt, wie die Energie der Sängerin sich auf das Publikum ausbreitet.

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Der große Rock’n’Roll-Schwindel

Frau mit Kinderwagen angefahren las ich neulich als Schlagzeile einer Tageszeitung. Da fiel mir auf, wie ungenau Sprache sein kann und dass Frau mit CDs getroffen kein guter erster Satz für diesen Text ist. Deshalb anders.

Neulich kam ich aus einer Buchhandlung, hatte mir den neuen Murakami-Roman kaufen wollen, ihn dann aber liegen gelassen, weil ich Bücher ausschließlich nach ihrem Cover bewerte, und das war nicht hübsch, da sprach mich eine junge Frau an, ob ich a) Englisch spreche – ja, spreche ich  – und b) Rockmusik mag – nein, oh nein, aber so gar nicht. Was ich gerne höre, fragte sie. Pop Music, as poppy as possible, so ich. Sie lachte und meinte, sie spiele in einer Band, hielt mir eine CD hin, sie wären nicht so rockig, eher so Richtung Linkin Park. Ich erklärte ihr naserümpfend, dass Linkin Park Schrott sind und CDs so hässlich, dass ich meine alle längst verschenkt habe, machte aber ein Foto und versprach, ihrer Band auf Spotify ein Ohr zu leihen. 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


Heute kam mir das alles wieder in den Sinn, und ich machte mich auf die Suche nach – so sah ich es auf dem Foto – Defrage Reload mit dem Album Revelation One. Schnell wurde es absurd. Ich stieß auf Artikel, welche wissen wollen, dass die Band unter wechselnden Namen seit x Jahren ebenjene CD auf der Straße verkauft, niemand bezeugen kann, je eines ihrer Konzert gesehen zu haben, die Bandmitglieder bzw. die verkaufenden Personen ständig andere sind und zum Teil auffällig jung (die Band ist laut Wikipedia seit 2007 aktiv), die Geschichten von wir brauchen Geld für die Heimreise nach Estland bis all time touring-band variieren, und es wird die Frage aufgeworfen, ob dahinter nicht ein Schwindel steckt.

Welcher das sein soll, da mag sich niemand festlegen, und mir persönlich fallen ohne kriminellen Background spontan zahlreiche Methoden ein, die mit weniger Aufwand mehr Ertrag brächten, ginge es hier nicht einer Band darum, ihre Musik unter die Leute zu bringen. In ihrem ganz eigenen Oldskool-Weg, den man auch nervig, antiquiert oder sonstwie finden kann. 


Neue Folgen von „riffs & rants“:


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The Pinpricks: Punk-Dröhnung von der Ostsee

The Pinpricks machen mit ihrer Mischung aus Punk, Garage Rock und Achtziger-Vibes ordentlich Dampf im Kessel. Filigranes Fingerpicking darf man bei diesen Songs nicht erwarten, das liegt in der Natur der Sache. Stattdessen stricken sich ein Bassfundament und roughe Akkorde von der E-Gitarre um den ungebändigten Gesang von Frontfrau Ronja, und nebenher wird auf ein Drumkit eingedroschen.

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Sector 5: Berliner Band will was reißen

Das Jahr 2023 war für das junge Vierergespann Sector 5 ein recht erfolgreiches: Erst gewannen die Berliner den „Welcome to Europe“ Songcontest und staubten dann noch beim „Deutschen Rock & Pop Preis“ Preise ab. Für diesen Frühling haben sich die Brüder Mika (Gesang, Gitarre) und Sami (Drums) gemeinsam mit Bassistin Jules und Gitarrist Johann die Veröffentlichung einer neuen EP vorgenommen. Neben zwei kleinen EPs hat Sector 5 ihren Pop-Rock-Mix bisher nämlich vor allem in einzelnen Singles vorgestellt.

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JLP: Classic Rock trifft Soul

JLP ist eine junge Wiener Rockband in den Startlöchern. Gegründet wurde sie von den Geschwistern Jelena und Luka Petener, die beide schon seit der Kindheit Musik machen. Gemeinsamer Ausgangspunkt war das Klavier, von da aus ging’s für Luka in rockige Gefilde (ACDC, Guns n‘ Roses) samt Instrumentenwechsel zur E-Gitarre, während Jelena Klassik, Soul und R’n’B auskundschaftete und außerdem zum Gesang fand. Der Startschuss für die gemeinsame Band fiel während einer Jam-Session aus Langeweile in der Küche der kroatischen Großeltern. Inzwischen ist JLP ein Vierergespann und drauf und dran ihre erste EP zu basteln.

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Westhafen: kantiger Garage-Rock

Wer den Westhafen in Berlin-Moabit kennt, weiß: Das ist kein idyllisches Ankerplätzchen mit kleinen Fischerkuttern und schaukelnden Segelmasten, sondern ein Ort mit expressionistischem Industrie-Feeling, massiven Klinkerlagerhallen und einer Schneise aus Ringbahngleisen, die sich durch die Stadt fräst und über der allabendlich spektakulär die Großstadtsonne untergeht (wer noch kein Bild vor Augen hat, hier lang).

Die Berliner Band Westhafen hat den lässigen, dreckig-urbanen Vibe ihres Namensgebers internalisiert und lebt ihn in Strokes-haftem Indie-Garage-Rock voller Ecken und Kanten aus. Ihr erstes Album In Case of Emergency haben die vier Berliner 2022 mit einer Förderung vom Musicboard aufgenommen. Die Platte legt einen erdigen, gitarrenlastigen Retrosound vor, bei dem nicht an Energie gespart wird. Highlights sind das wunderbar überdrehte, lebenslustige „30h Amsterdam“ und das Liebesbekenntnis an die eigene Stadt „Berlin“. Die frischen Singles „New Ways“ und „Dogs“ reihen sich da gut ein, lassen die E-Gitarren in Verzerrung und rotzige Akkorde ausbrechen und bringen treibende Drums mit.

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EALA: „Nichts ist nur scheiße, nichts nur supergeil.“

So wie EALA klingt keine Zweite. Ihre charakteristische Stimme und die cleveren deutschen Texte hat man schnell im Ohr – dabei hat die 22-jährige Frankfurterin noch gar nicht so viel veröffentlicht. Dafür war EALA 2022 schon Preisträgerin des „Treffens junge Musikszene“ der Berliner Festspiele und wurde dieses Jahr für den „Popkurs“ der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg ausgewählt. Ihre neue Single heißt „Rauchen ist tödlich“.

© Filip Boban

Musik unterm Radar: Du hast einen sehr eigenen Sound: eine eher dunkle Stimme mit viel Power, deutsche Texte, die Musik ist oft düster und sphärisch, aber eben auch tanzbar. Hattest du von Anfang an eine klare Vorstellung davon, wie du klingen willst?

EALA: Bei mir ist das sehr abhängig davon, mit wem ich gerade arbeite und was zum Beispiel ein Produzent oder auch Instrumentalist*innen so mitbringen. Meine Stimme und die Texte sind ein bisschen der rote Faden, würde ich sagen. Der Rest entsteht durch die Zusammenarbeit. 

Was machst du so, wenn du nicht gerade Musik machst?

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Live-Report: Tim Vantol rockt Berlin wie ein Heimspiel

Konzerte von Tim Vantol sind ein Phänomen: Denn obwohl der Niederländer mit seiner Familie auf dem Land in Deutschlands Süden wohnt und zum Tourauftakt gleich zwei ausverkaufte Konzerte in Nürnberg hingelegt hat, fühlt sich dank seiner treuen Fangemeinde irgendwie jedes seiner Konzerte an wie ein Heimspiel – so auch der Donnerstagabend im Cassiopeia auf dem Berliner RAW-Gelände. Das liegt natürlich auch daran, dass Vantol seit inzwischen 14 Jahren mal mit Band oder wie jetzt solo als Tourmusiker unterwegs ist und kaum noch jemandem etwas beweisen muss.

Tim Vantol spielt im Cassiopeia vor seinen Berliner Fans – die meisten davon Wiederholungstäter.
Alle Fotos: © Musik unterm Radar
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HotWax: Aufgepasst – es wird laut!

HotWax, das sind Tallulah Sim-Savage, Lola Sam und Alfie Sayers aus Hastings im Süden des Vereinigten Königreichs – und klar ist, von diesem Trio kann man Großes erwarten. Im Mai dieses Jahres veröffentlichten sie mit „A Thousand Times“ eine EP, die es in sich hat: Indie-Rock mit Grunge-Elementen, der an die 90er erinnert (etwa an Hole mit Frontfrau Courtney Love) und sich dennoch auch im Kontext der aktuellen Post-Punk Landschaft begreifen lässt, ohne dabei an Originalität einzubüßen. Das Ergebnis: Musik, die einen hellhörig werden lässt.

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Velvet Two Stripes: Rock im Gepäck

Velvet Two Stripes lassen sich in keine Schachtel zwängen. Das Trio besteht aus den Schwestern Sophie und Sara Diggelmann (Gesang und Gitarre) sowie der Bassistin Franca Mock und bewegt sich zwischen Blues, Garage, Rock und Punk. Die drei Schweizerinnen machen ihr eigenes Ding, setzen sich als female Rockband durch – und bleiben dabei vor allem einer Sache treu: sich selbst.

2014 veröffentlichten Velvet Two Stripes ihr erstes Album VTS, zwei weitere folgten 2019 und 2021. Für Oktober 2023 ist das nächste Album angekündigt: No Spell For Moving Water. Wer ein bisschen in die Songs von Velvet Two Stripes reinhört, merkt schnell: Die drei haben es drauf. Gekonnt kombinieren sie rockigen Gesang, eine punkige Gitarre und fuzzige Sounds. Dabei schaffen sie es, etwas ganz Eigenes entstehen zu lassen. Sich für irgendetwas oder irgendwen (zum Beispiel die Musikindustrie) zu verbiegen, kommt für sie nicht infrage. Ihr Sound ist individuell, und trotzdem bleiben sie nicht stehen: Ihr Motto ist „always moving, never stopping“, und so entwickeln sie sich stetig weiter, ohne etwas von ihrer Individualität einzubüßen.

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