Katie Mahan im Interview: „Ich wusste mit vier, dass ich Pianistin werde“

Schon von weitem hört man das Klavier aus dem Übungsraum des Steinway & Sons in Berlin, wo die amerikanische Pianistin Katie Mahan ihr Interview gibt. Sechs Stunden übt sie am Tag, schon als Kind spielte sie erste Konzerte, gerade tourt sie mit dem Programm zu ihrer CD Classical Gershwin. In den letzten Jahren hat Katie Mahan unter anderem die Klavierwerke von Leonard Bernstein für die Deutsche Grammophon aufgenommen und ein Album mit Stücken von Debussy. Auf ihrer neuen CD spielt sie eigene Bearbeitungen von Klassikern wie „Fascinating Rhythm“, „I Got Rhythm“ oder „Rhapsody In Blue“. Auf ihrem Zwischenstopp in Berlin gab die Künstlerin Musik unterm Radar einen Einblick in ihre Arbeit.

Musik unterm Radar: Liebe Katie, lass uns über deine neue CD sprechen. Was macht die Musik von George Gershwin so besonders für dich, dass du ihm jetzt ein ganzes Album widmest?

Katie Mahan: Ich wusste, dass ich Pianistin werden wollte, seit ich mit vier in einem Konzert von Katia und Marielle Labèque saß. Die beiden haben an dem Abend auch Gershwin gespielt, so war seine Musik von Anfang an wichtig für mich. In Konzerten habe ich aber vor allem Debussy und die Wiener Klassiker gespielt. In Europa wurde ich dann oft gefragt, warum ich nicht mehr amerikanische Musik spiele, also habe ich bei Konzerten dann auch mal Gershwin gespielt. Inzwischen kann ich kaum ein Konzert ganz ohne Gershwin spielen, weil die Leute jetzt sagen: „Du kannst gern alles spielen, was du möchtest, aber am Ende bitte, bitte Gershwin!“

Würdest du sagen, dass du dich als Amerikanerin anders in Gershwins Musik wiederfindest, als jemand, der nicht aus den USA kommt?

Das kann sein. Die „Rhapsody In Blue“ zum Beispiel ist absolut New York: Man sieht die Lichter, „Glitz and Glamour“ und das Interkulturelle. Und auch die Entstehungsgeschichte muss man kennen: 1923 hat der Bandleader Paul Whiteman Gershwin gefragt, ob er für ein besonderes Konzert etwas komponieren würde. Gershwin sagte zu und hörte dann aber bis zum nächsten Jahr nichts mehr davon. Vier Wochen vor dem Konzert stand dann in der Zeitung, dass Gershwin ein Klavierkonzert komponiert hätte. Er hatte bis dahin noch nicht einmal damit angefangen und schrieb die ganze „Rhapsody In Blue“ auf einer Zugfahrt von New York nach Boston. Wenn man diese Geschichte kennt, hört man das alles: den Zug, die Menschenmassen von New York, das Verkehrschaos, die kleinen Straßen in Brooklyn. Beim Spielen sehe ich alles vor mir und ich möchte erreichen, dass mein Publikum es auch sehen kann. Deshalb freue ich mich auch, dass ich neben der CD auch ein Video dazu gemacht habe, das war schon länger ein Wunsch von mir.

George Gershwin hat vor etwa 100 Jahren gelebt. Seitdem hat sich viel getan. Inwiefern passen seine Kompositionen auch noch in das moderne Leben?

Die meisten Menschen haben diese Songs irgendwann schon einmal gehört. Stücke wie „I Got Rhythm“ und auch die „Rhapsody In Blue“ sind so bekannt, dass sie echte Jazz-Standards geworden sind. Und seine Musik macht die Leute einfach glücklich, glaube ich.

Die „Rhapsody In Blue“ ist ursprünglich ein Werk für Klavier und Orchester, auf deiner CD spielst du sie allein auf dem Klavier. Worauf muss man achten, wenn man ein so Werk für ein einziges Instrument bearbeitet? Wie gehst du beim Arrangieren vor?

Tatsächlich hatte Gershwin die „Rhapsody In Blue“ zuerst für zwei Klaviere geschrieben. Diese Version habe ich als Teenager zusammen mit meiner Mutter gespielt, die auch Pianistin ist. In meinem Arrangement habe ich diese erste Version mit der Orchesterversion zusammengelegt. Schwierig ist, dass in der Bearbeitung genug drin ist, dass die Leute nicht hinterher sagen, dass etwas fehlt. Deshalb sind meine Arrangements auch schwer zu spielen – ich habe wirklich alles mitgenommen, was geht. Dafür habe ich mir genau angehört, welche Stellen wirklich wichtig sind und welche man weglassen kann, ohne dass es auffällt.

Mozart ist in Salzburg geboren, wo du jetzt lebst. Haben dich die Wiener Klassiker nach Österreich gezogen?

Auf jeden Fall. Ich habe mit sechs mein erstes Konzert gegeben und war mit acht das erste Mal mit meinen Eltern in Salzburg. Ich war begeistert von der österreichischen Landschaft, mir kam dort alles vor wie im Märchen. Damals habe ich schon gewusst, dass ich irgendwann dort leben möchte. Meine Eltern haben früher eine Zeit in Deutschland gelebt, weil mein Vater als Solarphysiker dort gearbeitet hat, und ein Teil meiner Familie stammt aus Deutschland und ist in den 1920er und 30er Jahren in die USA gekommen. In dieser Zeit war es aber keine gute Idee, in der Öffentlichkeit Deutsch zu reden. Mein Urgroßvater hat seinen Kindern sogar verboten, Deutsch zu sprechen.

Mit sechs Jahren das erste Mal ein Konzert zu spielen, klingt sehr außergewöhnlich. Welche Stücke hast du damals bei diesem ersten Konzert gespielt?

[überlegt] Ein Klavierkonzert von Haydn, ein Stück von Bach, etwas von Mozart und Debussy. Und auch ein oder zwei Stücke, die ich selbst komponiert habe.

Bei so viel Bühnenerfahrung, ist man da überhaupt noch aufgeregt vor Konzerten?

Morgen (Das Interview fand am Dienstag, 5. November statt; Anm. d. Red.) spiele ich hier in Berlin, davor bin ich nicht aufgeregt. Aber da das eine Albumpräsentation ist, werde ich danach vor den Leuten auf Deutsch etwas dazu sagen müssen, das macht mich eher nervös.

Katie Mahan gibt regelmäßig Konzerte im deutschsprachigen Raum. Tour-Termine gibt es auf der Website der Künstlerin.