Schon als Schülerin wurde jupiter flynn für ihr Debütalbum von Wintrup unter Vertrag genommen, ihre allererste Single „difficult times“ hat ihr inzwischen an die 900.000 Streams bei Spotify eingefahren. Zuletzt veröffentlichte sie mit „monsters and men“ eine neue Single. Zum Interview in einem Café im herbstlichen Kreuzberg kommt die Indie-Newcomerin beladen mit Gitarre, Ukulele und einem Koffer voll Equipment. Später wird sie um die Ecke noch für einen Support-Gig auf der Bühne stehen. Bevor sie zum Soundcheck muss, hat die Musikerin aber Zeit für einen Ingwertee und ein Gespräch über ihre Faszination für Wissenschaft, die Studio-Sessions mit dem Drummer von Wir sind Helden und ihren Umgang mit Druck im Musik-Business.

Musik unterm Radar: Obwohl du kürzlich erst 20 Jahre alt geworden bist, hast du schon ein Album rausgebracht und eine EP in Arbeit. Wolltest immer schon Musikerin werden?
jupiter flynn: Ich schreibe Songs, seit ich 15 bin. Aber es war eigentlich gar nicht geplant, dass ich Musikerin werde. Ich wollte immer Wissenschaftlerin werden wie mein Dad. Ich habe vor zwei Jahren auch ein Chemiestudium angefangen, aber nach drei Monaten direkt wieder abgebrochen.
Wie kam’s?
Ich hatte nicht genug Zeit für Musik. Außerdem war wegen Corona alles online. Seitdem mache ich jetzt hauptsächlich Musik. Aber Naturwissenschaften mag ich immer noch: Psychologie, Biochemie, solche Sachen. Ich lese viele nerdy Bücher. Wenn ich viel Musik mache, brauche ich immer auch anderen Input als Ausgleich.
Vor allem für den Weltraum kannst du dich ja sehr begeistern.
Ja, das war tatsächlich auch einer der Gründe, warum ich mir Chemie ausgesucht habe: Ich wollte ins Weltall und irgendwas erforschen. In dem Bereich hat leider Vieles vor allem mit Physik und Mathe zu tun, aber das hat mich weniger interessiert. Ich wollte also nicht nur deshalb Physik studieren, um vielleicht irgendwann Astronautin werden zu können. Denn wenn das dann nicht funktioniert hätte, hätte ich einen Job gehabt, den ich eigentlich scheiße finde (lacht). Jetzt hoffe ich einfach, dass es irgendwann normal wird, als Touristin in den Weltraum zu fliegen.
Kennst du das Video von dem Astronauten Chris Hadfield, der seine Gitarre mit auf die ISS genommen hat und in der Schwerelosigkeit „Space Oddity“ von David Bowie singt?
Als ich das gesehen habe, war ich bisschen enttäuscht. Ich dachte ja, ich würde irgendwann die erste Person werden, die ein Konzert im Weltraum spielt (lacht). Aber gut, dann werde ich halt die erste Frau…
Dein Debütalbum hast du moon genannt. Darauf singst du: „You call me your moon / because I don’t shine / I reflect your light / making it look like mine“. Was bedeutet dieses Bild des Mondes für dich?
Für mich ist das eine Metapher für emotionale Abhängigkeit in Beziehungen. Ohne die Sonne würde man den Mond nicht sehen. Dieses Bild fand ich schön. Man ist abhängig vom Licht einer anderen Person, damit es einem gut geht.
Lass uns ein bisschen über deinen neuen Song „monsters and men“ sprechen. Es ist die erste Single der EP, die du nächstes Jahr herausbringen willst.
In dem Song geht es darum, als weiblich gelesene Person in unserer Gesellschaft aufzuwachsen. Als Kind hatte ich Angst vor Monstern in Filmen. Meine Eltern haben immer gesagt: „Mach dir keine Sorgen.“ Irgendwann gehen solche Ängste weg. Dafür hat man später vor anderen Sachen – oder eben Menschen – Angst. Ich habe auch mit männlichen Freunden darüber geredet und gemerkt, dass vielen gar nicht bewusst ist, wie präsent das Thema für uns ist.
Du warst 17, als dein Debütalbum erschienen ist. Produziert hat es der Schlagzeuger von Wir sind Helden, Pola Roy. Als ich das gelesen habe, bin ich erst mal davon ausgegangen, dass du aus einer Musikerfamilie kommst und da bestimmt von deinen Eltern gepusht wurdest. Du hast jetzt schon erzählt, dass dein Vater Wissenschaftler ist – aber ist da trotzdem was dran?
Nicht so wirklich. Meine Mum war in ihren Zwanzigern mal in einer Punkband, das wusste ich aber lange gar nicht. Meine Familie besteht also nicht aus lauter Musiklehrer*innen oder so. Ich hatte aber schon früh Klavierunterricht. Obwohl das vor allem klassische Musik war, hat mir das sehr geholfen, einen Draht zur Musik zu finden. Und meine Eltern sind wirklich sehr supportive bei allem, was ich mache. Wenn ich mir zu Weihnachten eine Ukulele gewünscht habe, habe ich die auch bekommen. Das nächste Jahr wollte ich dann dringend ein Mikro haben. Ich bekam nie zu hören, dass das dumm, unnötig oder Geldverschwendung sei. Sondern immer: „Mach dein Ding.“
Ein Onkel von mir hat früher bei Universal gearbeitet und dem Verlagsleiter ein paar meiner Demos geschickt. Der fand die ganz cool und hat Pola angerufen, dass wir mal eine Studio-Session machen sollten. Die Sachen, die dabei rausgekommen sind, kamen ganz gut an, und dann haben sie mich unter Vertrag genommen. Für mich kam das alles total unerwartet. Ich bin dann in den Schulferien immer mal eine Woche von Frankfurt nach Berlin gefahren, um ins Studio zu gehen und das Album aufzunehmen. Das hat sich natürlich total krass angefühlt.
Nach dem Abi bist du dann ganz nach Berlin umgezogen. Geboren wurdest du in Amsterdam, in der Schule warst du in Frankfurt, du hast aber zwischendurch auch immer mal ein paar Monate ganz woanders gelebt, in New York, Tokio und Sydney. Ist Berlin jetzt Zuhause für dich?
Total. Wobei ich es am Anfang ziemlich gehasst habe. Es war Winter und Corona und alles wurde mir ein bisschen zu viel. Aber inzwischen bin ich warm geworden mit Berlin. Nur, dass man immer so lang unterwegs ist, wenn man irgendwo hinfährt, stört mich immer noch.
Stichwort Corona: Dein Song „Difficult Times“ ist praktisch ein Schnappschuss aus dem Lockdown. Die Erinnerung daran, dass die Leute wirklich Klopapier gehamstert haben und man nicht mehr ohne Grund aus dem Haus durfte, fühlt sich für mich inzwischen fast surreal an. Wie ist es für dich, diesen Song jetzt zu hören?
Ich habe „Difficult Times“ damals mehr als Witz geschrieben. Und ein bisschen würde ich mir sogar wünschen, dass ein anderer Song so erfolgreich geworden wäre. Denn jetzt muss ich den natürlich immer auf allen Konzerten spielen, obwohl der Text gar nicht mehr passt.
„Ich habe drei mäßig-unerreichbare Ziele.“ – jupiter flynn
In der Musikwelt Fuß zu fassen, ist ja keine ganz einfache Sache. Setzt dich das manchmal unter Druck?
Voll. Aber ich glaube, das geht allen so. Gerade, wenn es um so Sachen wie Social Media, TikTok und so weiter geht. Das kann nervig sein – aber natürlich muss man das machen. Ich habe aber auch das Glück, dass sich Pola natürlich sehr gut im Musik-Business auskennt. Er hat mich oft beruhigt, wenn ich mir zu viele Gedanken gemacht habe. Ich glaube, allein hätte ich das alles nie hingekriegt.
Was war musikalisch bisher dein größtes Highlight?
Ich habe dieses Jahr im Zeiss-Planetarium hier in Berlin ein Konzert gespielt. Das war eine richtig schöne Atmosphäre und genau mein Ding. Ich wusste davor nicht mal, dass ich sogar der Haupt-Act sein würde. Das habe ich an dem Abend erst rausgefunden, total crazy.
Hast du Wünsche, wo du mit deiner Musik mal landen möchtest?
Ich habe drei mäßig-unerreichbare Ziele: Einmal in der Webster Hall in New York spielen, auf dem Times Square auf einem Billboard zu sehen sein und bei einem Konzert Vorband von Cavetown sein. Aber ich wäre auch erst mal happy damit, irgendwann eine ausverkaufte Show in Berlin zu spielen. Und ganz unabhängig von irgendwelchen Zahlen und Fakten: Wenn Menschen meine Texte mitsingen, ist das für mich unglaublich schön.