Jäger der verlorenen nervösen Energie

In den Nullerjahren verschlug es mich aus dem Ruhrgebiet nach Köln und ich wurde irgendwie zufällig Schlagzeuger einer Indie-Band. Das war insofern schön, als dass ich den Sound und die Jungs in meiner Band Decorder mochte, wir klangen irgendwie nach Blumfeld und Tocotronic, das machte man seinerzeit so. Es war aber andererseits nervig, weil ich eigentlich Bassist bin. Das Magazin Intro gab uns Rückenwind, ein kleines Kölner Label veröffentlichte unser Album, wir tourten, gingen für weitere Aufnahmen in ein feines Studio in Düsseldorf, konnten uns nicht einigen und trennten uns. 

Das kam mir jetzt wieder in den Sinn, weil Weggefährten aus jener Zeit ihre bis dato unveröffentlichten Aufnahmen im Keller oder so gefunden haben und ich mich fragte, ob das sein muss?


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


Die Szenejunkies, was für ein mieser Name, waren ein Trio rund um den bis heute umtriebigen Markus Sangermann aka Saender, wenn er Musik macht, aka King-Kalk, wenn er auflegt oder Konzerte und Festivals veranstaltet. Wenn ich mich recht erinnere, verdanken Decorder Markus den ersten Gig als Support für seine Szenejunkies, obwohl wir den viel besseren Bandnamen hatten, dafür danke. Ihre Musik war und ist dabei mehr Rave, als es seinerzeit in Köln üblich war, weniger Hamburger Schule, rau, ohne punkig zu werden, poppig, ohne Kitsch. Okay, die ein oder andere gesungene Zeile wäre diesbezüglich sicher diskutabel. Aber dominant sind die feinen Gitarrenwände, etwas hibbelige Grooves und eine Menge Energie. Kennt hier noch wer The Charlatans, Inspiral Carpets oder Ride? Letztere waren für einige Jahre sowas wie die Echt der Manchester Rave-Szene, bevor der Begriff Rave mit einer anderen Bedeutung gefüllt wurde, spielt aber nur eine untergeordnete Rolle. Die Szenejunkies waren sicherlich nicht die Ride der Kölner Szene jener Zeit, sie zu hören macht aber Spaß. Ob das ohne Nostalgie Sinn macht, müssen andere beurteilen. Die Aufnahmen sind von 2002, und das hört man. Welche Umstände zu dieser arg verspäteten Veröffentlichung führten, ich sag egal, entscheidend ist die Musik. Nicht genug danken kann man Irren wie Markus, die sich jenseits des großen Geldes über Jahrzehnte um die Szene verdient machen, sie am Laufen halten, sie fördern, mit Leidenschaft füttern und sich dabei treu bleiben. 

Hören kannst du sie hier.


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