Ist Berlin geiler als Bonn? (Spoiler: nein!)

Meine Stadt hatte die Wahl. Sie entschied sich, wenn auch nicht in meinem Sinne. Aber das ist Demokratie, langweilig wird sie nie. Der Rückenwind, der uns fünf Jahre eine grüne Oberbürgermeisterin bescherte, schlug um. Nun haben wir einen konservativen OB mit Namen Déus – Halleluja, das kann nur prima werden. 

In solchen Situationen wird mir gewahr, was für ein spießiges, rückwärtsgewandtes Kaff meine Stadt – Bonn – ist. Selbst meine Bubble (und wir sind bereits die Alternative!) siecht unter einer gewissen Wohlstandsverwahrlosung, gepaart mit Langeweile und dem Verdruss über die eigene Vergänglichkeit dahin. Mir wird es manchmal eng hier, die Wände kommen näher. Aber ist das Gras, wie man sagt, woanders grüner? 

Bemühen wir den ewig hinkenden Vergleich Bonn vs. Berlin, Bundesstadt (was immer das bedeuten mag) vs. Hauptstadt (was immer das bedeuten mag). 


Unser Autor René ist selbst Musiker und passionierter Pop-Fan. Als etwas älteres Semester musste er von Boybands in Baggy Pants über Grunge bis K-Pop schon so einiges mitmachen. In seiner Kolumne „riffs & rants“ blickt er für uns mehr oder weniger regelmäßig auf neue Musik, Trends und Pop-Phänomene.


Augenscheinlich ein unfaires Duell, ist schiere Größe nicht alles – kennt hier noch wer das Finale von David vs. Goliath? Ich spoiler nicht, schau bei deinem nächsten Hotelbesuch in die Bibel im Nachttisch, da stehts drin.

In Berlin leben bis zu fünftausend Wildschweine. Bonn hat um die tausend Nutrias, eine humorvolle Mischung aus Biber und Wasserratte, die an Ufern abhängen, buddeln und sich vermehren. Guter Lifestyle. 

In Berlin wurde die Toilettendruckspülung erfunden. Das feiere ich täglich. Der Bonner Hans Riegel erdachte den Goldbären. So ein Goldbär, besonders die Grünen, die sollen nach Apfel schmecken, yummy sind die.


Weitere Folgen der Kolumne „riffs & rants“ 🪩


50 Prozent aller Einwohner von Berlin sind Singles und achttausenddreihundertfünf Menschen hatten dort 2022 Syphilis. Währenddessen tanzten in Bonn Zehntausende einträchtig und keusch unter der berühmten Kirschblüte wie unter einem pinken Dach aus Zuckerwatte, vereint in Liebe und Insta-Stories. Märchen können wahr werden.

Schrippen gibt’s in Berlin zum (sicher späten) Frühstück, Bonner*innen holen sich Brötchen, was der eindeutig bessere Name ist. 

„Berlin hat Brecht und Grass, Bonn hat nur mich.“

– René

Berlin hat den Längsten (ich konnte den nicht liegen lassen). Mit dreihunderachtundsechzig Metern ist der Fernsehturm das höchste Bauwerk Deutschlands. Jaja, ganz nett, aber Bonn hat das Stadthaus, ein brutalistischer Misthaufen, der die Stadtverwaltung beherbergt, einsturzgefährdet ist und so surreal im zentralen Ausblick von meiner Terrasse prangt wie die Raumschiffe am Horizont in Independence Day. Someone loves you, Stadthaus.

Der Bonner Karneval muss eine Erfindung des Teufels sein, der allerdings, das unterstelle ich, Berliner ist.

Berlin hat Brecht und Grass, Bonn hat nur mich.

Musikalisch kacken wir ab. Beethoven. Im Fahrstuhl. Im Café. Beim Sex. Beethoven. Sonst nichts. Überall. Zum Tanzen: Beathoven. Bepflanzte Grünanlagen nennen wir – ich schäme mich – Beethoven. Weiß Gott allein, ergo unser neuer OB, was das soll? Berlin hingegen hat den Arsch voll mit Künstlern, Stars und Subkultur. 

Zur letzteren gehört Gal Goren, der unter dem Alias Volcania Dread Lofi-Rock und Garage-Pop-Musik veröffentlicht. Beides kann ich bestätigen. Das erinnert in den guten Momenten in seiner simplen Catchiness an die Strokes, in den mir weniger willkommenen an die Bloodhound-Gang. Lofi ist ja nicht mit Unvermögen gleichzusetzen. Kein Song wird besser, weil jedes Signal rundgelutscht und gefällig produziert ist. Ein guter Song bleibt fesselnd, selbst auf einem Kamm geblasen. Das gilt überall, in Bonn wie in Berlin. So habe ich stets ein Herz für raue Veröffentlichungen, durch welche sich eine kunstschaffende Person hörbar exponiert und die Diktatur des angepassten Klangs hinterfragt.

Das bringt mich dazu, zu erkennen, dass Bonn mich braucht. Leute wie ich bringen das Lofi in eine Stadt, die sonst eventuell an ihrer eigenen bildungsbürgerlichen Kotze ersticken würde. In Berlin wäre ich bloß einer von vielen.

Dankt mir später!

Autor:

René Grandjean

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