Avielle im Interview: „Kunst eröffnet Dialoge dort, wo sie schwierig erscheinen.“

Auf der ganzen Welt fühlt sich Singer und Songwriterin Avielle zu Hause. Soundtechnisch entführt sie mit ihren Balladen auf eine musikalische Zeitreise – und mit ihren Lyrics in verträumte Mystik. Avielle schreibt über Natur, Liebe und gesellschaftliche Herausforderungen. Ihre Begeisterung, neue Räume zu erschließen, ihre Begegnungslust und das feinsinnige Lauschen in die Natur erschaffen ein einzigartiges musikalisches Gesamtwerk mit Sounds, die die Knie weich werden lassen. Avielles Debütalbum Oread erscheint am 18.03.

© Avielle

Musik unterm Radar: Du hast schon jung angefangen Musik zu machen, zuerst Klavier und Gitarre gespielt, bis du darüber auch zum Songwriting gefunden hast. Dann hast du ein Politikwissenschaftsstudium zwischengeschoben und bringst jetzt dein Debütalbum raus. Wie stoßen diese zwei sehr unterschiedlich geladenen Pole – Musik und Politik – in deiner Kunst aufeinander?

Avielle: Ich war schon immer sehr fasziniert davon, wie man Menschen zusammenbringen, Konflikte auf alternativere Arten betrachten und transformieren kann. Das ist ein Thema, das mich immer wieder begleitet. Auf einer Meta-Ebene geht es darum, Dialoge zu führen – allgemein mit meiner Kunst, aber auch als Politikwissenschaftlerin. Dialoge dort zu eröffnen, wo sie vielleicht schwierig erscheinen. Bei der Kunst, die ich mache, ob Musik, Videokunst, oder sonstige Kunstprojekte, geht es immer darum, Leute zusammenzubringen und Dialoge zu ermöglichen. Es ist sehr stark in mir verankert, dass ich wirklich glaube, dass wir das schaffen können, egal wie unterschiedlich wir sind.

Du hast jüdisch-arabische Wurzeln. Darüber würde ich gerne mehr erfahren.

Die Familie meines Vaters hat einen jüdischen Hintergrund, mein Großvater mütterlicherseits war muslimischer Ägypter – eine ziemlich spannende Mischung. Meine Mutter war im wesentlichen alleinerziehend, aber das hatte nichts mit irgendeinem Religionskonflikt zu tun, sondern das war einfach so. Sie ist eine wahnsinnig starke und inspirierende Frau. Es ist schon cool, wenn man das so vorgelebt bekommt. Mir stand immer offen selber zu entscheiden wie, wo, was. Ich fand Religionsunterricht auch früher immer spannend, aber für mich ist es weniger das Thema, dass man jetzt einer gewissen Religion angehört, sondern mehr: Wie geht man mit seinen Mitmenschen um, wie lebt man das Miteinander? Ich sehe mich in der Musik, aber allgemein in meiner Kunst, als „moderne Bardin“. Mich faszinieren Menschen und ihre Geschichten und die Welt, die uns umgibt.

Dein Debütalbum Oread erscheint jetzt. Was bedeutet der Titel und wie bist du zu ihm gekommen?

Oreaden sind Berg- und Waldnymphen, sie stellen für mich eine Verbindung zwischen Natur und Mystik dar. Ich habe viele der Songs in den Schweizer Bergen geschrieben. Ich war jeden Tag mehrere Stunden draußen und habe einfach gehört, was um mich herum passiert. Es ist wirklich faszinierend, wenn man bewusst in der Natur ist. Dann merkt man, wie die Welt um einen herum lebt, wie viele Tiere da sind, wie alles gedeiht. Die Natur hat insgesamt die Songs auf meinem Album inspiriert, aber auch Themen wie Freiheit oder Feminismus, wie in dem Song „Prairie Winds“.

Was bedeutet es für dich persönlich Musik zu machen?

Musik ist für mich ein kreativer Ausdruck, der es möglich macht, Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle zu thematisieren, die in einem gesprochenen Setting – also in einer Unterhaltung – zu angstbehaftet oder angsteinflößend wären. Wo ein normaler Dialog quasi zu wenig wäre.

Du hast keine Feature-Tracks auf deinem Album, richtig?

Richtig. Ich habe das Album in der Zeit geschrieben, in der die meisten Menschen aufgrund von Corona in der Isolation waren. Ich habe mich alleine in die Natur zurückgezogen und dort einen Raum der Inspiration gefunden. Ich bin total offen für Feature-Tracks und auch andere Kunst-Kollaborationen, immer mit diesem Ziel, einen Dialog rund um die Themen, die uns beschäftigen und die gesellschaftlich wirklich akut sind, anzustoßen. Themen wie Feminismus, Sexismus, Rassismus, Gendergleichheit und Umweltschutz.

Musikalisch bist du vor allem von der Musik der späten 60er-Jahre inspiriert. In welche Musikgenre könnte man deine Musik einordnen?

Genre ist ja immer so ein Thema. Mein Album Oread ist sehr folkig und hat auch Americana-Einfluss. Ich finde aber eine Einteilung in Genre, oder generell Kategorisieren schwierig. Allgemein als Mensch und auch als kreativer Mensch gelangt man immer wieder an eine Kreuzung, eine Intersektion, an der man sich fragt, wo man herkommt, wo man steht und wo man letztendlich hin möchte.

Das Interview führte

Hutham Hussein

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