Vagabon: You turn me into someone I don’t fuck with

Und immer wieder New York City. Die US-Amerikanerin Laetitia Tamko erweitert den überstrapazieren Begriff des Singer/Songwriters mit guten Pop-Vibes.

Weil, mal unter uns, traurige junge Männer, die mit geschlossenen Augen auf ihrer akustischen Gitarre Liebeslieder säuseln, haben wir mehr als genug. Warum also nicht mal Songs schreiben, und diese allein im elektronischen Gewand sauber aufnehmen und produzieren. Also auch Singer/Songwriter, nur weniger öde. 

Vagabon gelingt unaufgeregte Popmusik mit dezentem Ausschlag Richtung R&B und Ethno – letzteres mag durch die Herkunft der Künstlerin inspiriert sein, sie zog mit dreizehn Jahren aus Kamerun in die Staaten, weil ihre Mutter ein Studium anging. Andererseits ist der größte lebende Ethno-Musiker Peter Gabriel, und der ist Brite, insofern mag Herkunft an Aussagekraft über Inspiration stark eingebüsst haben in der – seufz – modernen Welt. 

Erst mit siebzehn beginnt Laetitia Musik zu machen. Zunächst mit Gitarre und Gesang, bald zu unser aller Glück ergänzt durch Schlagzeug und Keys, und 2014 erblickt Vagabon auf Bandcamp das Licht der Welt. Das frühe Material ist dort noch zu hören, verströmt einen rauen DIY-Charme, avantgardistischer Indierock, etwas rumpelig, die Stimme ist schon toll. 2017 more of the same auf dem Album Infinite Words – für Freunde und Freundinnen der Gitarrenwand und der Hymne sei hier eine Empfehlung ausgesprochen, ich muss weiter, auch wenn Pitchfork es seinerzeit zum Best New Album kürte.

Der selbstbetitelte Nachfolger leitet 2019 eine Veränderung ein. Nicht nur, dass durch den Erfolg des Debüts die Möglichkeiten zunahmen und die Produktion insgesamt runder klingt, es wird auch abwechslungsreicher. Bombastisches und Minimales wechseln sich ab, Chor und digitale Streicher erweitern neben der vertrauten Gitarre den Kosmos. Viel Reverb und weniger Tempo. In der Summe ein großer Schritt Richtung Pop und R&B. 

“Can I talk my shit? I got way too high for this”, so der Opener von Sorry I Haven’t Called, dem dritten Vagabon-Album aus dem Jahr 2023. Und das kommt rhythmisch vielseitig daher, ist verspielt und inhaltlich direkter. Den Tod ihres engen Freundes und Kollaborateurs Eric Littmann verarbeitete sie während des Schaffensprozesses, lese ich. Trauern geht auch tanzend. Electropop mit Texten, die Haltung erahnen lassen über das Zwischenmenschliche, Beziehungen und deren Scheitern, in einer luftig instrumentierten, klanglich vielfältigen Produktion, die nicht zu viel will. Do Your Worst – super Titel für einen Song – hat sogar Breakbeat. Vielleicht ist die Welt bereit für die Wiederauferstehung desselben. Ich wäre es. Die Ethno-Einflüsse, oft misinterpretiert als Weltoffenheit und Auslöser gruseliger Tanzperformances seltsamer barfüßiger Menschen – hier sind sie fantastisch. 

Fazit: Eine interessante Künstlerin auf einer Reise mit ungewissem Ausgang. Bei aller Qualität und Eigenständigkeit vermisse ich noch den unumstößlichen Grund, Vagabon zu hören. Würde mich jedoch freuen, den zu entdecken. 

  • Meilensteine:
    • 2017 Debütalbum Infinite Words
    • 2018 Toursupport für Courtney Barnett
    • 2023 Album Sorry I Haven’t Called
  • Links:

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