vernukkt hießen bis neulich noch twentyseven., und als diese haben sie einen semi-prominenten Talentwettbewerb gewonnen. Das ist nicht weiter verwerflich, vielleicht etwas uncool, doch hat die Band sich längst freigeschwommen.
Auf ihrer Homepage gibt’s einen Infotext zum Download, in dem steht so gut wie nur Quatsch (aber hey, es gibt eine Homepage und sogar einen Infotext). Das passt bestens zu der verspielt entspannten Außendarstellung und immerhin erfahren wir so: Nuk ist Frontsänger, ich sah ihn auch schon Gitarre und Keys bedienen, Dave am Schlagzeug, Tom spielt Bass.
vernukkt sind noch jung, echt, und machen deutschsprachige Popmusik zwischen NDW und Bilderbuch, mit Texten über Egales, über Liebe und nochmal über Egales. Jetzt kommt der Plot – das ganze Sammelsurium aus Zitaten, selbstgemalten Covern und jugendlichem Leichtsinn macht großen Spaß beim Sehen wie Hören. Wiederholt, erst zufällig, jetzt mit Vorsatz, lief der hier Schreibende dem Trio vor die Flinte (meint Bühne) und konnte sich trotz anfänglicher Skepsis gegenüber der schnoddrigen kurze-Hosen-Attitüde dem Charme der Rasselbande schließlich nur ergeben. Drei Freunde mit Instrumenten. Ob sie in ihrer Freizeit auch Kriminalfälle lösen, ist nicht überliefert.
Indie ist ja, anders als noch in den Neunzigern, kein Synonym mehr für Gitarren-Schrammelmusik, die an die Beatles erinnern soll (!), und von verschüchterten jungen Herren mit Scheitelfrisuren vorgetragen wird (ich weiß an dieser Stelle als Betroffener genau, wovon ich schreibe). Vielmehr scheint der Begriff wieder mit Substanz gefüllt, eine Haltung zu sein, zurück zum DIY – nie war es einfacher, die eigene Musik einem großen Publikum zur Verfügung zu stellen. Du musst dir halt einfallen lassen, wie du die Leute dazu bekommst, deine Musik zu streamen, und eben nicht das neue Album von XYZ mit großem Label und fetter Werbung im Nacken. vernukkt tun dies durch spielen, spielen, spielen. Dass sie nebenbei ihre Instrumente beherrschen, ungemein nützlich, möchte man grooven statt lärmen, wobei sie letzteres in Momenten auch tun, aber eben nicht inflationär.
Ich bin sicher, die Jungs sind von Zeugs beeinflusst, von dem ich noch nie gehört habe, ich würde es wahrscheinlich auch nicht mögen, vielleicht nicht verstehen, weil ich als viel älterer Typ Musik anders höre, bewerte, sich mir andere Assoziationen aufdrängen. So ist es aktuell wieder erlaubt, funky Bass zu spielen, das sogar zu üben – in meiner Bubble galt das seinerzeit als Verrat an der Sache, Mark King war der Antichrist. Ich bin froh, dass der Scheiß vorbei ist.
Top, die Wette gilt, dass vernukkt was reißen. Im Sommer 2023 spielten sie einen frühen Slot auf dem Green Juice Festival. Glückwunsch dazu. Kurz danach sah ich sie zurück auf kleiner Bühne, da nervten die großen Gesten und das Rockstar-Gehabe etwas, aber das wird sich einpendeln, und ich mag die Band.
Fazit: Der neue Bandname ist kaum weniger schlimm als der alte, und die konsequente Kleinschreibung von vernukkt, wie die Wortschöpfung überhaupt, treiben mich und meine Rechtschreibkorrektur in den Wahnsinn. Aber dennoch, mit großer Wahrscheinlichkeit die einzige ernstzunehmende Popband (aus Bonn).
- Meilensteine:
- 2019 1. Platz Toys2Masters
- 2023 Auftritt beim Green Juice Festival
- 2023 EP „stress & liebe (bisschen schön)“
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Autor:
René Grandjean