Indie-Rock trifft auf tiefgründige Texte, Melancholie und eine kleine Prise Klassik – so oder so ähnlich würde ich die Musik von Mary Middlefield beschreiben. Die Eltern aus Deutschland und Österreich, aufgewachsen in Lausanne in der Schweiz – den DACH-Raum sollte sie also allein dadurch eigentlich schon in der Tasche haben. Mittlerweile lebt sie in England, wo sie 2024 am berühmt-berüchtigten Glastonbury Festival auf der „BBC Introducing“-Bühne für Newcomer auftreten durfte. Mit ihren Songs „Bite me“ und „Will you read my mind?“ läutet Mary inzwischen eine neue Ära ein und schafft gleichzeitig eine passende Erweiterung zu ihrem bisherigen Musikkatalog.
Während man auf den ersten Blick meinen würde, dass Mary Middlefield die Klischee-Singer/Songwriterin ist, die noch nie etwas anderes machen wollte, sah ihr Lebensplan vor ungefähr fünf Jahren noch komplett anders aus: Nach 15 Jahren Geigenunterricht und einer klassischen Musikausbildung wäre einer Karriere in der Klassik an sich nichts im Weg gestanden – wäre da nicht ein Ex-Freund dazwischen gefunkt, der Mary nicht nur erst mal aus der Bahn warf, sondern ihr auch eine ordentliche Portion Gesprächsstoff hinterließ, den sie dann in eigenen Songs zu verarbeiten begann.
Nach zwei Jahren intensivem Songwriting veröffentlichte sie 2023 ihr Debütalbum Thank You Alexander, in dem sie Themen wie Trennung und Beziehungen aufgreift und ihre eigenen Erfahrungen verarbeitete (an dieser Stelle sage auch ich: Danke Alexander! Ohne besagten Ex-Freund wäre uns wahnsinnig viel gute Musik entgangen). Ein Song, der für mich besonders heraussticht, ist hier „Mass for the Dead“, da man durch die sanften Geigenklänge in der letzten Minute schön heraushört, woher Mary Middlefield musikalisch ursprünglich kommt und gleichzeitig merkt, wohin sie sich entwickelt hat.
Definitiv weiterentwickelt hat sie sich auch mit der EP Poetry (for the scorned and lonely), die 2024 erschienen ist. Während Marys erstes Album im Klang deutlich sanfter war und in den Texten verspielter, mischen sich in diesem Projekt zu eingängigen Rockelementen (etwa in Songs wie „Young and Dumb“) total ehrliche und kritische Textzeilen. Die Themen hier unter anderem: Machtmissbrauch, toxische Beziehungen und Einsamkeit. Dass Mary Middlefield viel zu sagen und keine Scheu vor Ehrlichkeit hat, beweist sie unter anderem in „Sexless“, einem Song darüber, dass sie ein Jahr lang keinen Sex hatte… und dass das auch völlig in Ordnung ist!
Ähnlich unverblümt ist die erste Single „Bite me“ aus dem noch folgenden zweiten Album, denn ein Song, der mit der Zeile „So you think I’m an ungrateful asshole“ beginnt (diese by the way zart und in Indie-Manier hauchend gesungen), kann nur gut sein.
In „Will you read my mind?“ singt Mary währenddessen darüber, wie es sich anfühlt sich zu verlieben, Hoffnungen und Tagtraumszenarien mit der anderen Person im Kopf zu erschaffen und trotzdem zu zögern, aus Angst, die Gefühle könnten nicht erwidert werden. An dieser Stelle ein kleiner Insight von mir persönlich: Bereits vor Ende des Songs lief mir beim ersten Anhören eine kleine Träne die Wange runter. Es ist der melancholische und doch zugleich hoffnungsvolle Sound, der mir wahnsinnig taugt und meiner Meinung nach ein bisschen so klingt, wie der Abspann eines guten Filmes.
Wann genau Mary Middlefields Album erscheint, steht noch nicht fest, aber ich mache mich (vielleicht mit einem Taschentuch ausgerüstet) schon mal bereit, am Releasetag alles stehen und liegen zu lassen für eine Listening-Session voller direkter Textzeilen, sanften Elementen und allen voran gutem Indie-Rock.
- Meilensteine:
- 2023 Debüt Thank You Alexander
- 2024 Auftritt Glastonbury Festival
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