Flight Attendant: ein Muss für jede Indierock-Playlist

Ob rockig wie Kings of Leon, sinnlich und melancholisch wie Lana del Rey oder hypnotisierend-metallisch wie Tame Impala: Die Band Flight Attendant kombiniert gekonnt die unterschiedlichsten Klänge und erschafft mitreißende Songs, die unter die Haut gehen.

Als Band aus Nashville, Tennessee konnten Flight Attendant ihre musikalische Identität bereits vor einem kritischen Publikum erproben, schließlich war und ist die „Music City“ Heimat einer Reihe berühmter Musiker*innen, von Rita Coolidge bis zu Miley Cyrus. Obwohl sie ihre Band erst 2019 gegründet haben, beweisen die drei Frauen und zwei Männer von Flight Attendant bei Auftritten eine beeindruckend souveräne Bühnenpräsenz.
Vor allem Frontsängerin Karalyne Winegarner reißt das Publikum durch ihre starke Stimme mit, die mal die Ruhe selbst ist und dann wieder punkig-schrill klingt. Ein weiteres Merkmal der Band: der Bratschensound von Nikki Christie, der den Punksongs zuweilen sogar einen schaurigen, grungigen Sound verpasst. Der bisher bekannteste Song der Gruppe ist „Man of Chaos“ und birgt großes Mitsingpotenzial. Doch auch die neuere Single „Paradise“ ist unbedingt hörenswert und will nach langen Monaten des Lockdowns eine gewisse Aufbruchstimmung verbreiten. Unterstrichen wird dieses Gefühl durch das Musikvideo, das die Band selbst produziert hat.

Fazit: Flight Attendant begeistern nicht nur durch einen ganz eigenen Klang, sondern auch durch ihre künstlerischen Bühnen- und Videoperformances. Wir hoffen auf ein baldiges erstes Album der US-amerikanischen Band!

Autorin:

Hanna-Maria Paul

Lemony Rug: head-in-the-clouds-Indie

Ob Singer/Songwriter-typisch gezupfte Gitarrenpatterns oder temporeicher, rockiger Sound: Lemony Rug aus Hamburg besticht mit einer vielseitigen Debut-EP.

Mit seiner ersten Single „I Won’t Turn Around“ legte Léon Rudolf 2019 den Grundstein für sein musikalisches Soloprojekt Lemony Rug. Gerade hat der Musiker seine Debut-EP There’s Good To Come herausgebracht.
Lemony Rugs verträumt-sympathischer Sound kommt mit wenig aus: Fokus auf der Gitarre, der Schlagzeugbeat hält sich meist zurück, über allem liegt ein beharrlicher Optimismus. Beiläufig lässt der Musiker hin und wieder eine sanfte Zweistimmigkeit einfließen oder wagt den ein oder anderen rockigeren Ausflug.

Fazit: Trotz einer gewissen melancholischen Ader klingt doch vor allem die Zuversicht durch, wenn uns Lemony Rug untermalt von Cello und Ukulele auf dem Schluss-Track seiner EP verspricht: There’s good to come!

Fewjar: grooviger Hauptstadt-Indie

An ihre Songs lassen die Mitglieder der Berliner Band Fewjar erst einmal niemanden ran. Stattdessen packt die Band von Songwriting bis Aufnehmen und Mischen alles selbst an. Und weil die drei ihr Handwerk nun mal verstehen, geht das Konzept wunderbar auf.

2013 bastelten Fewjar ihr Album noch vom WG-Zimmer aus, inzwischen entstehen die Songs im eigenen Studio in Berlin-Weißensee. Nach einer Reihe von Alben, EPs und Touren haben die Bandmitglieder Jakob Joiko, Felix Denzer und Andre Moghimi inzwischen ein neues Album und – wenn alles gut geht – für September/Oktober auch eine Deutschlandtour in Aussicht gestellt.
Die Band spielt mit Erwartungen; klassische Pop-Melodien sucht man vergeblich, dafür fühlt man sich gleich von der unverschämten Coolness der Musik angesteckt. Die Songs der drei leben von Vorwärtsdrang, eigenwilligen Ideen und der bodenständigen Art mit der die Band sich durch ihre Songs groovt.

Fazit: Grundsätzlich strahlen Fewjars Songs eine gewisse Ausgeglichenheit aus: Eingewebt werden verschiedene Einflüsse, etwas Nostalgie, dazu gibt’s markante Instrumentalmotive und clever eingesetzte Pausen – und schon brennt sich einem der klassische Fewjar-Sound ins Gehirn.

Estate im Interview: „Bei uns ist alles DIY.“

Kennengelernt haben sich Jim Kramer (Gitarre, Trompete, Bass) und Jasper Riessen (Drums, Saxophon) in der Band ihrer Musikschule in Tübingen. 2019 holten sie Janislav Brickwell aus Jaspers Parallelklasse als Sänger und Keyboarder mit ins Boot und gründeten ihre Indie-Pop-Band Estate. Zu dem Zeitpunkt waren die drei Bandmitglieder gerade 14, 15 und 17 Jahre alt. Mit ihrem ersten Song „Cigarette“ sahnten sie direkt mehr als 80.000 Streams ab und landeten in Spotifys Release-Radar. Inzwischen steuern alle drei dem Ende ihrer Schulzeit entgegen: Jim hat wenige Tage nach diesem Interview seine letzte Abiprüfung geschrieben, die anderen beiden sind in der elften Klasse. Nebenbei haben die drei kürzlich ihre neue Single „Wide Awake“ veröffentlicht.

Jim, Janislav und Jasper von Estate
© privat

Seit zwei Jahren spielt ihr neben der Schule gemeinsam in einer Band. Seit letztem Jahr kam auch noch Corona dazu. Wie funktioniert das überhaupt zeitlich?

Jasper: Vielleicht hatten wir gerade durch Corona so viel Zeit. Unseren ersten Song „Cigarette“ haben wir zum Beispiel in der Coronazeit aufgenommen. Im Lockdown haben wir erst die Zeit gefunden, das anzupacken. Eigentlich hat es uns also in die Karten gespielt – am Anfang jedenfalls. Jetzt geht’s uns langsam bisschen auf die Nerven, weil wir natürlich auch live spielen wollen.

„Cigarette“ ist ja gleich ziemlich erfolgreich geworden. Worum geht es in dem Song?

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Löwen am Nordpol: Berliner Indie-Rocker

Vier Jahre nach ihrem Debut melden sich Löwen am Nordpol mit einem neuen Album zurück.

Hinter den Löwen am Nordpol stehen die drei Musiker Andreas Kolczynski (Gesang und Gitarre), Daniel Voigt (Bass) und Christoph Wegener (Schlagzeug). Die Berliner Truppe hat sich zwar schon 2012 gegründet, bis 2017 hat es dann aber trotzdem noch gedauert, bis mit Vom Stochern in der Asche ein Debutalbum draußen war. Das zweite Album kommt gerade ganz frisch aus der Presse.
Und damit scheint das Trio auch recht zufrieden zu sein, wie sie verlauten lassen: „Da dieses Album so klingt, wie die Band gern klingen möchte, heißt es Löwen am Nordpol.“ Das heißt: ein ungeschönter, rauer Sound, treibende Drums, deutsche Texte, viel E-Gitarre. Die Songs ziehen nach vorne, gleichzeitig klingt immer wieder auch etwas Wehmut durch.

Fazit: Man hört den Löwen an, dass sie schon lange ein eingespieltes Team sind. Die Band macht ihr eigenes Ding und bleibt musikalisch authentisch.

Good Morning Yesterday: Indie-Mischung aus Mainz

Das Fünfergespann Good Morning Yesterday aus Mainz steht knietief in Indie-Grooves und Klangatmosphäre.

Nach mehrjähriger Bandgeschichte und zwei frischen Neuzugängen sehen sich Good Morning Yesterday zurzeit in einer zweiten musikalischen Findungsphase. Vom klassischen Folk- und Singer/Songwriter-Stil geht es zu neuen Ufern: Mehr Elektronik und Mehrstimmigkeit haben sie sich für die Zukunft vorgenommen. Vorerst gibt’s von den fünfen aber erst einmal die neue Single „The Surf“, im Juni kommt der Folge-Track.
Musikalisch gibt’s bei Good Morning Yesterday feine Gitarrenbackings, Klavierharmonien und eine Reibeisenstimme für graue Regentage. Die Melancholie in den Songs steht den Musikern durchaus gut, schließlich lässt schon der Bandname einen gewissen nostalgischen Ansatz erahnen.

Fazit: Ganz entspannt und ohne große Aufregung grooven sich Good Morning Yesterday durch ihre Musik.

Anna Leone: Gitarren-Folk mit Charakter

Die tolle, gefühlvolle Stimme kann Anna Leone wohl ihr Markenzeichen nennen – in Ergänzung mit dem meist minimalistisch gehaltenen Instrumentalunterbau sorgt sie für einen Sound mit Tiefgang.

2018 erschien die erste EP der Schwedin. Seit März ist mit Still I Wait die zweite EP von Anna Leone zu haben und auch ein Album ist schon in der Mache. Bis Herbst ist hier aber wohl mindestens noch Geduld angesagt.
Viel braucht Anna Leone nicht für ihre Musik: ein paar melancholische Akkorde, beständiges Gitarren-Fingerpicking und ihre nachdenkliche Stimme. Auf unverfälschte, rohe Art singt die Musikerin und lässt dabei trotz oft zarter Melodien auch das Volumen ihrer Stimme durchblitzen. Friedlich klingen ihre Songs, könnte man sagen. Und gleichzeitig erahnt man eine bezeichnende Tiefe und Reife.

Fazit: Anna Leone ist eine besondere Entdeckung. Ihre Musik geht leicht ins Ohr, ist ausgesprochen schön und bringt auch eine Portion Eigenwillen mit. Schade nur, dass wir bis zum ersten Album noch warten müssen.

Old Sea Brigade: Roadtrip-Sound aus Nashville

Ursprünglich kommt der Musiker Ben Cramer aus Georgia, inzwischen lebt er in Nashville. Dort hat er 2015 sein Solomusikprojekt Old Sea Brigade auf die Beine gestellt. Nach mehreren EPs, einem Debut-Album und einer Kollaborations-EP mit Luke Sital-Singh hat der Musiker für Mitte Mai sein nächstes Album angekündigt.

Mit einer sanften Art und gleichzeitig verlässlichen Stetigkeit vermittelt die rauchige Stimme des Musikers den Eindruck, als sei dieser so schnell durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Viel Bewegung in der Begleitung und die Unterlegung mit Beats steigern Tempo und Drive der Songs. Bei Themen wie der Suche nach den eigenen Wurzeln und der Rolle zwischenmenschlicher Beziehungen schimmert auch immer wieder eine vorsichtige Melancholie durch.

Fazit: Mit einem eigenen Stil kombiniert Old Sea Brigade eingängige Melodien mit mehrschichtiger Begleitung und einem Gefühl von innerer Ruhe.

Nobody’s Cult: Indie zum Eintauchen und Abdriften

Nobody’s Cult aus Frankreich gehen in die Vollen: Eine bombastische Leadstimme, fesselnder Spirit und die vielseitigen musikalischen Ideen sprechen für sich.

Dafür, dass sich die Truppe um die bemerkenswerte Sängerin Lena Woods bereits 2015 gegründet hat, haben es Nobody’s Cult in Sachen Recording bisher erstaunlich ruhig angehen lassen. 2017 haben sich die vier mal an einer EP versucht, zwischendurch gab’s hin und wieder eine Single. Mit einem größeren Album haben sie aber bisher auf sich warten lassen. Im Juni soll es nun aber so weit sein und ihr Debut Mood Disorder darf in die Welt.
Mit Nobody’s Cult lässt es sich wunderbar abtauchen. In „Feel Blue“, einer der ersten Singles aus Mood Disorder, lassen die vier ihre Gedanken schweifen, gehen zurück Richtung Kindheit, entdecken eine gewisse Nostalgie für sich – dass das zugehörige Musikvideo statt digital auf 16mm-Film gedreht werden musste, liegt nahe. Weiter finden wir bei Nobody’s Cult zwischendurch faszinierende Mehrstimmigkeiten, die wunderbar abseits der klassischen Harmonien funktionieren, dann wieder aufbrausende Songs voller Dynamik und Spannung. Und wer hat noch mal gesagt, dass Harfen in Rockbands nichts zu suchen haben?

Fazit: Manchmal kriegt man es bei Nobody’s Cult mit der Angst zu tun, die Band könnte jeden Moment auf der Bühne explodieren – so sehr können sich die vier in ihre Musik hineinsteigern. Dann wieder gibt einem die Band starke Momente zum Durchatmen und Abdriften.

Friedberg: frischer Indie aus London

Einen völlig neuen Sound erschaffen – das war die Mission der Bandmitglieder von Friedberg, als sie ihre Debut-EP aufnahmen. Gelungen ist das den vier Frauen schon auf den vorab erschienenen Songs “Midi 8” und “Lizzy”.

Was hier entstanden ist, ist natürlicher, abwechslungsreicher Indie-Sound. Getragen wird er von Gitarren und Drums und bleibt sofort im Kopf. Die Stimme von Lead-Sängerin Anna Friedberg ist rau und melancholisch und erinnert an Lana del Rey. Dem ein oder anderen Zuhörer wird sie bekannt vorkommen: Vor Friedberg trat die Sängerin als Solokünstlerin unter dem Namen Anna F. auf. 
Auch in ihren Musikvideos erschafft die Band etwas Neues. Im Video zum Track “Midi 8” spielt Anna auf einer überdimensionalen Cowbell und in “Lizzy” streift sie durch die dunklen Londoner Straßen, während sie aus einer trippy Vogelperspektive von der Kamera begleitet wird. Obwohl die Band erst seit 2019 gemeinsam Musik veröffentlicht, wurde sie von der Presse schon hochgelobt. Ihre Debüt EP trägt den (fast) eingängigen Namen “Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah Yeah” und erscheint am 19. März.

Fazit: Wer jungen, modernen Indie mag, der sollte sich den Namen Friedberg gut einprägen, denn unsere Vermutung ist: Diese Band befindet sich gerade erst am Beginn von etwas ziemlich Großem.

Autorin:

Carla Blecke