Max Prosa im Interview: „Lieder wirken wie Zaubersprüche.“

Vielleicht ist Max Prosa die moderne Variante des Urberliners: Er hat Geschichten auf Lager, politische Prinzipien im Kopf und in großer Verbundenheit mit dieser Stadt führt der weiteste Umzug höchstens von einem Kiez in den anderen – in Max Prosas Fall von Charlottenburg nach Neukölln. Nur die raue Berliner Schnauze hat er eingetauscht und schreibt stattdessen lieber lyrische Texte über die Schönheiten der Welt. Zur Gitarre gekommen ist Max Prosa über seine Mutter, die wollte, „dass das kultivierte Kind ein Instrument lernt“, wie er schmunzelnd erzählt. Wohin das führen würde, hatte sie damals wohl kaum geahnt. Denn seit seinem erfolgreichen Debut-Album Die Phantasie Wird Siegen im Jahr 2012 hat sich Max Prosa einen Namen gemacht: Er begleitete Clueso auf Tour, brachte neben weiteren Alben einen Gedichtband und ein Theaterstück heraus, im September war er zum wiederholten Mal im Fernsehen bei Inas Nacht zu sehen. Sein neues Album Grüße aus der Flut ist ebenfalls vergangenen Monat erschienen. Katharina Köhler von Musik unterm Radar hat Max Prosa zum Interview getroffen. Ein Gespräch über den Wert von Geld, das Lob von Leonard Cohen und die Frage, wie Physik mit Musik zusammenpasst.

Max Prosa beim Interview in einem Café in Berlin-Neukölln.
© Katharina Köhler

Musik unterm Radar: Als ich mir dein neues Album das erste Mal angehört habe, ist mir vor allem das Lied „Buntes Papier“ im Kopf geblieben, in dem du eine besondere Geschichte vertonst. Würdest du kurz erzählen, worum es in dem Lied geht und wie du auf diese Geschichte gestoßen bist?

Max Prosa: Die Geschichte habe ich in dem Philosophiebuch Psychopolitik von Byung-Chul Han gelesen. Darin finden Kinder Geld, aber sie identifizieren es nicht als Geld, sondern als buntes Papier. Das finde ich total faszinierend, weil Geld genau das ja in Wirklichkeit ist. Wir müssen uns aber fast schon dazu zwingen, wahrzunehmen, dass es buntes Papier ist. Wir tun so, als hätte Geld einen realen Wert. Dabei könnte kein Physiker, Chemiker oder Biologe den Wert in diesem bunten Papier feststellen. Es ist nur ein abstrakter Gedanke, wie an eine Tarot-Karte zu glauben und danach zu handeln. Dafür ein Bewusstsein zu schaffen, schien mir mit dieser Geschichte möglich, deswegen wollte ich sie weitertragen.

Das Album heißt Grüße aus der Flut. Welche Bedeutung hat dieses Bild der Flut für dich?

Das Album ist ja in der Corona-Zeit entstanden und dadurch beeinflusst worden. Die Flut ist sozusagen das große Ungewisse, von dem man nicht wusste, wie man damit umzugehen hat – und es immer noch nicht so richtig weiß. Und Grüße haben dagegen so etwas Unbefangenes, Spielerisches in Anbetracht dieser Ungewissheit. Das fand ich spannend. Es war ja auch nicht klar, wie man jetzt noch Musik machen oder ein Album aufnehmen kann und ich dachte mir, ich mach’s trotzdem. Das sind dann meine Grüße aus der Flut.

Sind die Lieder auf dem Album alle in dieser Zeit entstanden?

Manche gab es auch schon vorher. Sehr exemplarisch ist da zum Beispiel „Donnerschlag“, von dem man gleich denken würde, das sei ein Lied über Corona. Was Lieder manchmal können, ist, dass sie wie Zaubersprüche wirken. „Donnerschlag“ war wie ein Theaterstück, das dann plötzlich wahr wurde. Fast schon gruselig.

Du hast neben den vielen Liedern, die du schon geschrieben hast, auch Gedichtabonnenten. Das sind Leute, die jeden Monat ein Gedicht von dir geschickt bekommen. Hast du überhaupt auch mal so etwas wie Schreibblockaden? Kennst du das Gefühl, dass sich der Monat dem Ende neigt und es muss jetzt noch ein Gedicht her?

Das kenne ich. Dieses Jahr habe ich es klüger angestellt und schon mal einen Vorrat geschrieben, falls mir nichts einfällt. Es ist aber auch eine Lebenseinstellung, das Schöne oder das Bewegende aufs Papier zu bringen. Ich schreibe einfach immer ganz viel auf. Es kann nur etwas entstehen, wenn man sich auch hinsetzt und schreibt. Ich kann darauf vertrauen, dass das früher oder später zu irgendwas führt.

Du hast erst Physik und dann Philosophie angefangen zu studieren und bist schließlich Musiker geworden. Wie hattest du dir als Abiturient dein späteres Leben vorgestellt? Wäre dein früheres Ich sehr überrascht, wenn es sehen könnte, was du jetzt so machst?

Das ist eine gute Frage. [überlegt] Ich glaube nicht wirklich. Musik hat bei mir schon immer eine Rolle gespielt. Von 16 oder 17 an hatte ich auch eine Band, das war also schon Teil meines Lebens. Aber diese Lebensrealität des Sängers war natürlich noch nicht so ausgeprägt. Deswegen habe ich dann Physik studiert. Der Vater meines besten Freundes war Physiker, das wollte ich auch werden. Es wurde aber relativ schnell klar, dass ich zwar für die Musik immer unendlich viel Zeit investieren konnte, ohne das zu hinterfragen, und für die Physik aber nicht. Es ging dann zum Glück auch relativ schnell voran mit der Musik, sodass ich genug Selbstvertrauen hatte, um mich ganz darauf zu konzentrieren. Ich wusste auch, dass das nichts ist, was man mit der halben Arschbacke macht, im Sinne von: Ich studiere jetzt erst mal zu Ende und dann kann ich’s ja immer noch machen. Das musste gleich sein und hat ja auch geklappt. Ich hatte auch keinen Plan B, höchstens das Vertrauen, beim Fallen wie eine Katze immer wieder auf den Füßen zu landen. Dass ich dann Philosophie studiert habe, war mehr ein Alibi für die Eltern. Ich bin mit der S-Bahn immer eher in den Proberaum gefahren als zur Uni.

Man kann ans Musikmachen ja durchaus physikalisch-mathematisch herangehen und so etwa Akkordfolgen oder Melodien konstruieren. Bei dir habe ich dieses Gefühl aber eigentlich nicht so. Es wirkt eher, als würdest du Musik so machen, wie es sich gut anfühlt. Deshalb finde ich es erstaunlich, dass du dieses mathematische Denken auch so sehr in dir hast, dass du Physik studiert hast.

Stimmt, ich kann da auch gar nicht so viele Parallelen erkennen. Das, was ich jetzt mache, ist ja intuitionsbasiert. Und das ist eben Physik gerade nicht. Aber was man vielleicht sagen kann: Es hat ja auch eine philosophische Komponente, diese Wahrheitsfindung, seinen Teil beisteuern zu können zu einer Art gesamt-menschlicher Debatte. Das wollte ich ja mit der Physik machen und das mache ich jetzt vielleicht auf andere Art.

… da fügt sich die Philosophie natürlich auch gut ein.

Ja! Mich hat auch an diesem Studium immer fasziniert, in welche Gedanken man da so versetzt wurde und wie man die Welt mit anderen Augen sieht. Mit das Wichtigste, das Kunst kann, ist es ja auch, Perspektiven zu verschieben und die Wahrnehmung zu verändern. Und dadurch vielleicht auch mehr Empathie zu schaffen. Das Schwierige an dieser Welt ist, dass jeder in seinem eigenen Körper mit seinen eigenen Wahrheiten steckt. Aber wenn dann ein besonderes Lied oder ein Buch kommt, verändert sich der Blick. Dann nimmt man plötzlich wahr: Es gibt anscheinend vieles, was ich nicht fassen kann oder was ich falsch beurteile. Je häufiger diese Einsicht kommt, desto besser ist es für den Frieden auf der Welt.

„Der ganze Weg war so schön, aber man hat gar nicht aus dem Fenster geguckt.“

– Max Prosa

Du hast in deiner bisherigen Musikkarriere viele Erfolge gefeiert. Gab es auch mal negative Erlebnisse? Hast du vielleicht sogar mal gezweifelt, ob du dich für den richtigen Weg entschieden hast?

Negativ war natürlich die ganze Zeit über immer dieser Druck. Gerade, wenn die Latte mit einem Album schon mal hoch hängt, scheint es dann, wenn alles so auf Wachstum ausgelegt ist, dass man das dann wenigstens toppen muss. Ich wünschte jetzt, ich hätte ein bisschen mehr Ruhe gehabt, das alles zu genießen. Es geht dann doch immer recht schnell. Dabei war der ganze Weg so schön, aber man hat gar nicht aus dem Fenster geguckt.

Mich würde auch sehr deine Connection zu Misha Schoeneberg interessieren, der einem ja vor allem durch Ton Steine Scherben ein Begriff ist. Ich bin irgendwann über deine deutsche Version von Leonard Cohens „Hallelujah“ gestolpert, deren Text von Schoeneberg stammt. Die Aufnahme war ja Teil eines größeren Projekts mit Schoenebergs Übersetzungen von Cohen-Songs. Wie kamt ihr zueinander und wie war es, mit ihm zu arbeiten?

Ursprünglich kam die Verbindung über Lanrue, den Gitarristen der Scherben, der auch auf meinem letzten Album Gitarre gespielt hat. Er wohnt auch in Berlin und hat uns einander vorgestellt, weil ich mit der Tochter von Lanrue mal ein Konzert gespielt habe. Das war 2012, Misha wohnte auch in Neukölln und wir haben angefangen, uns auszutauschen und Texte hin- und herzuschicken. Dieses Projekt mit den Cohen-Texten hat er eigentlich schon sehr lange. Es sollte ursprünglich mal Rio Reiser diese Texte singen. Dazu kam es ja dann aber nicht und dadurch lag das lange auf Eis. Es wurde dann wiedererweckt, auch durch dieses „Hallelujah“, das ich an meinem zwanzigsten oder einundzwanzigsten Geburtstag in meiner Wohnung mit ein paar Freunden aufgenommen habe. Diese Version hat Misha dann an das Management von Cohen geschickt, woraufhin die Antwort kam und dieses Cohen-auf-deutsch-Projekt ins Rollen kam. Das „Hallelujah“ durfte ich ja dann auch mit auf mein Album Rangoon nehmen. Ich habe auch ein Exemplar an Leonard Cohen geschickt und dann kam das Booklet zurück und er hatte reingeschrieben: „Thanks for singing it“.

Lieber Max, ich danke dir für dieses Gespräch!

Ein Gedanke zu “Max Prosa im Interview: „Lieder wirken wie Zaubersprüche.“

  1. Danke Euch im Radar für die Vorstellung von Max Prosa im Interview über seinen Werdegang.
    Das „bunte Papier“ hatte ich wohl schon mal gehörtgesehen.
    Leonard Cohens „Hallelujah“ singen wir gerne im Chor – und diese Übertragung zur Gitarre ist eindrucksvoll.
    Max Prosa spielte 2012 beim Bardentreffen in Nürnberg. Hm schade, verpasst; ich lauschte an einer anderen Bühne.
    Gute Wünsche und herzliche Grüße
    Bernd

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