Fishbach: Synth-Pop trifft Chanson

Die Schauspielerin, Songwriterin und Sängerin Flora Fishbach aus Nordfrankreich lässt Genre-Grenzen zerfließen wie warme Butter.

Seit ihrem Debütalbum A Ta Merci (2017) und einem Auftritt bei der Preisverleihung der Victoires de la Musique Awards ist Fishbach daheim in Frankreich längst keine Unbekannte mehr. Auf einigen ihrer um die 150 Konzerte europaweit war sie auch im deutschen Raum schon zu hören. Nun war es eine Weile recht still um die Musikerin, für Februar hat sie aber jetzt ein neues Album in der Pipeline.
Einen vielversprechenden Vorgeschmack darauf liefern die Singles „Téléportation“ und „Masque d’Or“. Alles bewegt sich hier irgendwo zwischen französischem Chanson, modernem Pop und Retro-Sound. Die Entdeckung ihrer eigenen inneren Frauen-Figuren (unter anderem eine allwissende, alterslose Ikone und eine retro-futuristische Priesterin) sollen die Vorlage für den Klang abgegeben haben. Neben französischen Vocals und Synthie-Vibes gibt es erdig-funkige Basslines und stampfende Rhythmik zu hören.

Fazit: Fishbach vereint tanzbare Songs im Disco-Pop-Gewand mit einer rauchigen Chanson-Stimme.

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Frau Lehmann: leichtfüßiger Indie-Pop

Von Frau Lehmann kommen luftige deutsche Indie-Songs. Die Musik trägt etwas Umherstreifendes, Suchendes in sich und hat doch ihre Bodenhaftung nicht verloren.

Frau Lehmann nennt sich eine Leipziger Band rund um Frontfrau und Texterin Fiona Lehmann. Die Konstellation ist noch frisch – erst zwei Singles hat die Band bisher veröffentlicht. Eine erste EP lässt aktuell also noch auf sich warten, sie ist aber in der Mache.
Die etwas verträumte Lyrik der Songs von Frau Lehmann spinnt sich um Alltägliches herum und transportiert gemeinsam mit den ohrwurmtauglichen Melodien einen fast kindlich-leichtfüßigen Blick auf die Welt. Die Texte lassen sich tragen von der klaren Singstimme von Fiona Lehmann. Dazu gibt’s E-Gitarre mit Retro-Sound, minimalistisches Schlagzeug und klangliches Feingefühl.

Fazit: Mit deutschen Texten, musikalischer Zwanglosigkeit und trotzdem einer Prise unbestimmter Sehnsucht entwickeln Frau Lehmann eine besondere Mischung aus Indie-Pop und Singer-Songwriter-Stil.

Irmgard-Haub-Trio: Alter Geheimtipp neu vertont

Deutsche Chansons und Geschichten der 20er Jahre: Das Thema ihres aktuellen Albums hat das Irmgard-Haub-Trio einer zufälligen Entdeckung zu verdanken.

Die Sängerin Irmgard Haub tritt bereits seit mehr als 20 Jahren mit dem Pianisten Johannes Reinig auf. Im Rahmen eines Projektes stießen die beiden auf die Gedichte der jüdischen Autorin Elisabeth „Lili“ Grün (1904-1942). Nachdem mit dem neuen Mitglied Constanze Steingass am Cello das Irmgard-Haub-Trio vollständig wurde, vertonten sie die Gedichte. Am 8. November bringt das Trio nun eine CD mit den entstandenen Liedern heraus. Damit beleuchten sie das Lebenswerk einer Person mit tragischer Geschichte: Lili Grün stammte aus Wien, wurde neben ihren Gedichten mit Büchern, Geschichten und Kabarett bekannt und kam in einem Vernichtungslager im Nationalsozialismus um.
Mal jazzige Töne, mal Rhythmus und mal ruhiges Schweben prägen den Klang der CD Mensch, Lili! und über allem liegt die kräftig-klassische Stimme Irmgard Haubs. Das Cello ergänzt die Klavierbegleitung mit pointierten Einwürfen sehr schön. Die spitzen Texte der Dichterin Grün finden sich auch in den musikalischen Ideen des Trios sehr treffend wieder.

Fazit: Dem Irmgard-Haub-Trio hört man die jahrelange Erfahrung im Zusammenspiel an. Die Texte einer heute zu unrecht kaum bekannten Dichterin und Schriftstellerin rücken sie in den Fokus, vertonen sie passend in ihren Arrangements und ordnen sie musikalisch mit Feingefühl in die Epoche der 20er Jahre ein.

Evantgarde: Die Gefährten der Liedermacherin

Mit Evantgarde hat sich eine Liedermacherin Unterstützung an Bord geholt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Evantgarde ist das Bandprojekt von Sängerin und Komponistin Eva Engelbach-Brüggemann. Als „Hofkomponistin“ schreibt sie eigentlich Lieder auf Bestellung und zwar „für Mehr- und Minderjährige“. Mit einer Band als Begleitung tritt Engelbach-Brüggemann nun regelmäßig als Evantgarde auf, vergangenen Monat kam ihr Debut Bling Blang auf den Markt.
Die Lieder der Band haben Chanson-Charakter und spielen mit musikalischen Möglichkeiten. Das Album ist experimentell in seinen Rhythmen und ein buntes Konstrukt aus immer wieder großer Liebe, Instrumenten von Klavier bis Ukulele, vielen ungeraden Taktarten und trotz sich verschiebenden Rhythmen auch ohrwurmträchtigen Melodien. Der Gesang ist mal frech, mal fordernd, mal fließend, die Melodien spielen mit Gegensätzen in Komplexität und Monotonie und die Begleitung ist vielseitig.

Fazit: Thematisch bleibt die Musik von Evantgarde zwar recht beschränkt auf Liebe und Herzschmerz, die Texte sind aber pointiert und auch musikalisch ist das Ganze alles andere als simpel und eintönig.

Yonder: In einer CD um die Welt

Von Italien nach Rumänien, von der Bretagne nach Irland – das Instrumental-Ensemble Yonder geht mit ihrer Hörerschaft auf eine Reise durch die traditionelle Musik.

Das Quartett aus Norddeutschland hat sich bereits 1998 gegründet und sich nach Anfängen in der Irish Folk-Szene ganz allgemein der Interpretation von europäischen Traditionals und hin und wieder auch selbstgeschriebenen Kompositionen verschrieben. Im Herbst 2018 ist ihr neues Album Beyond Borders erschienen.
In dieser neuen CD schreibt das Quartett, Yonder stehe für das, „was jenseits von Grenzen zu entdecken ist“. Eine klare Mission also und eine Message, die sogar über das Musikmachen hinauszugehen scheint. Wer bei Traditionals allerdings nur an Blockflötenversionen von „Kumbaya“ und „Oh When The Saints“ denkt, der ist bei Yonder definitiv falsch: Treibende Rhythmen treffen hier auf starke Vibes, das Ganze im 22/8-Takt, schön aufeinander abgestimmt und mit entspanntem Grinsen im Gesicht, als gebe es nichts Einfacheres.

Fazit: Obwohl ohne Gesang, ist die Musik von Yonder abwechslungsreich und lebendig. Die musikalische Zusammenstellung von Liedern aus verschiedensten Ecken macht neugierig und das Können der Interpreten spricht für sich.

  • Meilensteine: 2018 Beyond Borders
  • Umleitung:

Reggea auf französisch?!

Dass Reggea nicht nur auf englisch mit jamaikanischem Akzent möglich ist, beweisen die Mitglieder von Kana, einer überzeugten Reggeaband aus Frankreich.

Die Texte von Kana sind dabei hauptsächlich in ihrer Muttersprache geschrieben, nur vereinzelt finden sich auch Titel auf englisch, portugiesisch oder spanisch auf ihren vier veröffentlichten Alben. Der bekannte Off-beat-Rhythmus des Genres lässt auch bei Kanas Songs niemanden kalt und Sprache bewirkt, dass man mit einem akzeptablen Schulfranzösisch ungefähr ähnlich wenig versteht, wie mit fließenden Englischkenntnissen bei original jamaikanischen Sängern. Die Stimmung ist dabei trotz der untypischen Sprache ausgesprochen stilecht.
Interessant ist außerdem, dass sich die Band bereits zu Experimenten hinreißen ließ, wie dem Neuinterpretieren des Chansons „La Tendresse“ von Bourvil auf ihre eigene Art und Weise, was den ZuhörerInnen auch gut ein amüsiertes Lächeln aufs Gesicht zaubern kann.

Fazit: Kana machen Laune und versprühen das reggeatypische Gefühl von Freiheit und Unbekümmertheit.

Links: http://www.reggae.fr/lire-article/2642_Kana-Internacional.html

Sarah Lesch: Dem System den Kampf ansagen

Sie ist gegen Konformität, Lehrpläne, RTL 2, Gefühllosigkeit und blinden Konsum – und sie sagt es frei heraus. Sarah Lesch ist in ihrer unverblümten Art mit ungehobelter Wortwahl und gesundem Selbstbewusstsein so authentisch wie nur irgend möglich.

Bewaffnet mit Gitarre oder Ukulele singt die bereits mehrfach ausgezeichnete Liedermacherin, wonach ihr der Sinn steht. Ab und an lässt sie sich auch von Männern begleiten, zum Beispiel am Schlagzeug, die Hauptperson bleibt sie aber auch bei solchen Gelegenheiten unangefochten.
Bei ihren oft Chanson-ähnlichen Liedern lässt Lesch eine angenehme, klare Singstimme hören, meistens schwingt jedoch auch ein frecher Unterton mit oder man bemerkt einen despektierlichen Blick mit spöttisch zuckender Augenbraue, wenn es wieder um unsere allzu angepasste Gesellschaft geht.
Was der Musikerin ebefalls liegt, ist, die Stimmung einzufangen. Allein mit der Gitarre und einer Gesangsmelodie erreicht Lesch die Zuhörerschaft auf einer emotionalen Ebene, selbst wenn nicht auf den Text geachtet wird.

Fazit: Ausgemacht wird die Musik von Sarah Lesch von sehr pointierten Texten, mutigen Themen und passenden Melodien sowie Gitarrenbegleitungen. Auf ihre direkte Art werden die Einen mit Bewunderung reagieren, die Anderen mit Ablehnung, was der Künstlerin selbst aber vermutlich egal sein dürfte…

  • Meisterwerk: „Testament“
  • So klingt’s: Singer/Songwriter
  • Getextet: „Und denkt dran bevor ihr antwortet: Ihr seid auch nur verletzte Kinder | Am Ende gibt’s wieder ganz neue Symptome, und ihr wart die Erfinder | Und dann sagt ihnen wieder, wie es richtig geht: ‚Werd erwachsen‘ und ‚bist du naiv‘ | Predigt Formeln, lasst alles in Hefte schreiben | Die Götter lachen sich schief“ (Testament)
  • Umleitung: https://www.sarahlesch.de/

Der Sound eines Reisenden

Indie Rock trifft auf Folk, traditionelle Klänge aus dem Balkan auf chanson-ähnliche Passagen, unterstützt wird alles von Blechbläsern und Sänger Zach Condons einzigartigen Melodiefolgen. Kurz gesagt: Die Musik von Beirut ist schwer zu beschreiben.

Ähnlich schwer einzuordnen wie das Genre sind die Texte aus Condons Feder. Poetisch und gut ausgedrückt wie sie sind, lassen sie doch nicht selten nur schwer erahnen, welche Aussage sie uns mit auf den Weg geben sollen. Zu dieser entstehenden Verwirrung tragen außerdem die oftmals ausgesprochen skurrilen Musikvideos bei. So sieht man im Hintergrund von No No No einen Herrn auf einer Leiter die Wand hinter der Band streichen, der Pianist bewegt die Finger statt auf einem Klavier auf einem Küchenrost und ein älterer Mann zieht dem davon völlig unbeeindruckten Condon von hinten eine Flasche aus Zuckerglas über den Kopf. Zum Schluss erscheinen verschiedene Hände im Bild, die den in der Luft schwebenden Musikinstrumenten applaudieren. Nichtsdestotrotz zieht es das Publikum augenblicklich in diese abstrakte Welt mit hinein, denn gut gemacht sind die Videos allemal.

Die Titel der einzelnen Songs lassen auf weitgereiste Menschen schließen: Von Prenzlauerberg, Rhineland und Postcards from Italy auf dem ersten Album The Gulag Orkestar geht es nach Nantes, East Harlem, Brazil und Gibraltar bis ins August Holland und La Banlieue (die französische, meist von Armut geprägte Vorstadt), um nur einige Beispiele zu nennen. Und der Schein trügt nicht: Gründer Zach Condon, sechzehnjähriger high school dropout, also Schulabgänger ohne Abschluss, verließ das heimatliche New Mexico, um auf Europareise zu gehen (Stationen unter anderem: Paris, Amsterdam und natürlich Osteuropa). Die klangliche Vielfalt, die sich dem jungen Musiker während dieser Zeit aufgetan hat, muss er unaufhaltsam in sich aufgesogen haben. Nur deshalb kann die Zuhörerschaft seiner Alben sich ganz der musikalischen Diversität und Vielschichtigkeit hingeben, die Condon und seine Band in ihren Werken vereinen.

Fazit: Beiruts musikalischer Stil eignet sich zwar besonders am Anfang nicht unbedingt zum Mitsingen, gehört aber mit ihrer Mischung aus Melancholie und Guter-Laune-Musik plus der zum Teil einzigartigen Instrumentation und des herausragenden Talents Zach Condons bestimmt in jedes gut sortierte CD-Regal.

Links: https://detektor.fm/musik/album-der-woche-beirut-the-rip-tide