EALA: „Nichts ist nur scheiße, nichts nur supergeil.“

So wie EALA klingt keine Zweite. Ihre charakteristische Stimme und die cleveren deutschen Texte hat man schnell im Ohr – dabei hat die 22-jährige Frankfurterin noch gar nicht so viel veröffentlicht. Dafür war EALA 2022 schon Preisträgerin des „Treffens junge Musikszene“ der Berliner Festspiele und wurde dieses Jahr für den „Popkurs“ der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg ausgewählt. Ihre neue Single heißt „Rauchen ist tödlich“.

© Filip Boban

Musik unterm Radar: Du hast einen sehr eigenen Sound: eine eher dunkle Stimme mit viel Power, deutsche Texte, die Musik ist oft düster und sphärisch, aber eben auch tanzbar. Hattest du von Anfang an eine klare Vorstellung davon, wie du klingen willst?

EALA: Bei mir ist das sehr abhängig davon, mit wem ich gerade arbeite und was zum Beispiel ein Produzent oder auch Instrumentalist*innen so mitbringen. Meine Stimme und die Texte sind ein bisschen der rote Faden, würde ich sagen. Der Rest entsteht durch die Zusammenarbeit. 

Was machst du so, wenn du nicht gerade Musik machst?

Ich studiere Architektur und versuche gerade, damit langsam fertig zu werden. Ich kellnere und arbeite an der Uni im Fachgebiet für Städtebau. In meiner Freizeit gehe ich natürlich am liebsten auf Konzerte. Oft kenne ich die Bands auch gar nicht, aber meistens wird es richtig cool. So habe ich Von Wegen Lisbeth entdeckt und bin ein Riesenfan geworden. Auch Vorbands darf man nicht unterschätzen: Giant Rooks habe ich 2015 als Vorband von Joris kennengelernt und jetzt füllen die selber ihre Hallen.

Du hast mit der neuen Single deinen Künstlernamen von Prestine Vergine zu EALA umgeändert. Warum?

Der Name Prestine Vergine entstand nach einer durchzechten Nacht. Ich fand ihn cool, weil er schön übertrieben wirkt und irgendwie nach Drama und Show klingt. Ich habe mit Prestine Vergine eine Künstlerpersönlichkeit erfunden, hinter der ich mich verstecken konnte. Dadurch konnte ich viel umsetzen, was nicht unbedingt etwas mit mir selbst zu tun hatte. Inzwischen hat sich bei mir aber viel getan. Meine Texte sind persönlicher geworden und weniger Fiktion. Um mich damit auf die Bühne zu stellen, wollte ich einen Namen, der mich selbst beschreibt. Es ist natürlich immer noch ein Kunstprojekt, deshalb sollte er sich von meinem echten Namen unterscheiden. EALA entstand aus meinen Initialen: Eva Angeliki Latrovali.

„Rauchen ist für’n Arsch, Leute.“ – EALA

Die Aussage der neue Single „Rauchen ist tödlich“ ist: Alles geht gerade den Bach runter. Du thematisierst die Klimakatastrophe, Flucht, Angst vor einem Atomkrieg und dass man als einzelne Person im Grunde nichts ändern kann. Du singst: „In den Nachrichten steht, bald ist alles vorbei. Und du sagst mir, dass Rauchen tödlich sei.“ Bist du manchmal hoffnungslos, wenn du an die Zukunft denkst?

Der Song ist auf jeden Fall in einer Zeit entstanden, in der ich sehr zynisch war. Natürlich frustriert es, die Nachrichten zu checken. Guck dir die Wahlergebnisse in Hessen an. Da denke ich, ich versuche meinen Teil beizutragen und zu partizipieren, aber ich habe keinen großen Einfluss. Das versetzt einen in Panik. Aber: Wir können alle etwas machen. 

Es ging mir mit dem Song nicht darum, zu sagen: „Ich will rauchen, also lasst mich alle in Ruhe.“ Sondern dass man bei sich selbst anfangen sollte. Man kann aber nicht zu Leuten sagen: „Hab jetzt meine Meinung!“ Man kann höchstens versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir müssen einfach mehr miteinander reden und nicht alles schwarz/weiß sehen. Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen. Ich glaube, wenn wir alle lernen, uns mitzuteilen und aber auch zuzuhören, dann wird die Zukunft gut. Deswegen bin ich gar nicht so mega hoffnungslos, wie es sich in dem Song anhört.

Also hast du jetzt aufgehört mit dem Rauchen?

(guckt ertappt) Äh, ja, natürlich… Scheiße. Man sollte nicht rauchen, das ist tödlich. Rauchen ist für’n Arsch, Leute.

In deinen Songs clashen oft recht düstere Lyrics mit Musik, die gar nicht so deprimierend ist, wie der Text das hergeben würde. Auf Spotify steht, du würdest Musik machen, die als leichte Kost getarnt ist. Kannst du das mal erklären?

In „Nachbeben“ geht es zum Beispiel um meine depressiven Phasen. Diese Phasen sind Teil meines Lebens, das aber auch ein sehr schönes Leben ist. Trauer und Glück können auch gleichzeitig passieren. Und es gibt immer einen Twist: Nichts ist wirklich nur scheiße und nichts ist wirklich nur supergeil. Das schlägt sich auch in den Songs nieder. Wer würde auch Musik hören wollen, die einen die ganze Zeit nur runterzieht? Musik soll ja auch Spaß machen. Wie ein Dessert, das man sich gönnt, damit es einem besser geht.

Wir haben schon über diesen relativ eigenen Stil gesprochen, den du hast. Bestimmt gibt es auch Leute, die damit nicht so viel anfangen können. Wie sehr tangiert dich Kritik?

Ich habe in der Coronazeit angefangen, Musik zu schreiben. Da hatte ich gerade eine Trennung hinter mir und war von zu Hause ausgezogen. Ich habe in der Einliegerwohnung einer älteren Dame gelebt, die ein altes, verstimmtes Klavier hatte. Auf dem habe ich meine ersten Songs geschrieben. Ich war allein und hatte die Einstellung: Mir ist es egal, denn das hört eh niemand, ich mache das nur für mich. Damit habe ich auch für später ganz gute Weichen gestellt. Dazu kommt: Ich bin wirklich zufrieden mit den Sachen, die ich veröffentlicht habe. Ich würde daran auch nachträglich nichts mehr ändern wollen. Wenn man so dahintersteht, ist Kritik gar kein Problem. Da kann jeder sagen, was er will. Das ist völlig in Ordnung. Es muss dir nicht gefallen, du musst es dir auch nicht anhören. Wenn Feedback kommt, das mir nahe geht, ist das für mich eher eine Alarmglocke, dass ich selbst noch nicht ganz zufrieden bin.

Das klingt nach einer guten Einstellung. Trotzdem: Kennst du das Phänomen gar nicht, dass ein einzelner negativer Kommentar die ganzen positiven Erfolge plötzlich in den Hintergrund rücken lässt?

Doch, na klar. Ich habe neulich in einer Kneipe gespielt und einen meiner persönlichsten, traurigsten Songs gesungen. Und während ich da mein Herz ausschütte, ruft von hinten einer: „Yo, spiel mal irgendwas, das man kennt!“ Das war unangenehm. Du heulst da rum, dass es dir nicht gut geht und dann sagt dir jemand: Ich will das nicht hören. Mein Gott, hat mich das rausgehauen. Aber auch sowas ist okay. Ich versuche einfach, dass ich weiter nicht den Spaß nicht verliere und mich nicht unterkriegen lasse. Dadurch haben sich schon viele Sachen ergeben und ich hoffe, es geht so weiter.

Viel Erfolg dabei und vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast!


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